Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfügungsanspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung im ungekündigten Arbeitsverhältnis. Abhängigkeit des Verfügungsgrunds von Rechtmäßigkeit des Verfügungsanspruchs. Eindeutiges Bestehen des Verfügungsanspruchs als Fundament für Verfügungsgrund

 

Leitsatz (amtlich)

Macht der Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis im Wege eines Antrags auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung seinen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung geltend, muss er im Hinblick auf den Verfügungsgrund kein besonderes Beschäftigungsinteresse darlegen, wenn der Anspruch unzweifelhaft besteht.

 

Normenkette

ZPO § 940; BGB § 611 a; ZPO § 935

 

Verfahrensgang

ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 14.01.2021; Aktenzeichen 5 Ga 2/21)

 

Tenor

Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 14.01.2021 - 5 Ga 2/21 abgeändert:

Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, den Verfügungskläger als Mitarbeiter in der Abteilung Profilierung an der Bürstanlage im Wechselschichtsystem bei Spätschicht von 14:00 Uhr bis 22:00 Uhr und bei Frühschicht von 05:30 Uhr bis 13:30 Uhr zu beschäftigen.

Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Einstweiligen Verfügungsverfahrens.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im einstweiligen Rechtsschutz über die Verpflichtung der Verfügungsbeklagten, den Verfügungskläger tatsächlich zu beschäftigen.

Der am 13.02.1960 geborene Verfügungskläger steht bei der Verfügungsbeklagten aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages seit dem 01.02.2018 in einem Arbeitsverhältnis. Im Arbeitsvertrag wird das Aufgabengebiet als Mitarbeiter in der Abteilung Profilierung bezeichnet.

Die Verfügungsbeklagte beabsichtigt, das Arbeitsverhältnis mit dem schwerbehinderten Verfügungskläger zu beenden. Zurzeit laufen die Verhandlungen vor dem Integrationsamt.

Bis zum 23.12.2020 war der Verfügungskläger arbeitsunfähig erkrankt und hatte im Anschluss daran bis zum 03.01.2021 Erholungsurlaub. Als er sich am 04.01.2021 zum Schichtbeginn bei der Verfügungsbeklagten arbeitsfähig meldete, wurde ihm mitgeteilt, dass er von seiner Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt sei. Eine weitere Freistellung erfolgte nun bis zum 05.02.2021.

Mit dem am 06.01.2021 beim Arbeitsgericht eingereichten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vertritt der Verfügungskläger die Auffassung, er habe aus dem bislang nicht gekündigten Arbeitsverhältnis einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung. Mit jedem vergehenden Tag seiner Nichtbeschäftigung müsse er einen endgültigen Rechtsverlust hinnehmen.

Er hat beantragt,

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, ihn als Mitarbeiter in der Abteilung Profilierung, Bürsten- und Folierbereich an einer Bürstenanlage im Wechselschichtsystem beim Spätschicht von 14:00 bis 22:00 Uhr und bei Frühschicht von 05:30 bis 13:30 Uhr zu beschäftigen.

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

die Verfügungsklage abzuweisen.

Sie hat behauptet, anders als der Verfügungskläger meint, sei er nicht in der Abteilung "Profilierung" beschäftigt worden, sondern durchgehend in der Abteilung "Bürsten- und Folieren". Schließlich seien beide vorgenannten Abteilungen zu einer einzigen Abteilung zusammengefasst worden. Nunmehr würden die Mitarbeiter aus der Abteilung Profilierung nicht nur an den Profilierungsmaschinen, sondern auch beim Bürsten und Folieren eingesetzt worden, weshalb der Arbeitsplatz des Verfügungsklägers entfallen sei.

Mit Urteil vom 14.01.2021 hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es fehle an dem erforderlichen Verfügungsgrund. Der Erlass einer Leistungsverfügung komme in Übereinstimmung mit der vorherrschenden Ansicht in der Rechtsprechung grundsätzlich nur bei Vorliegen eines besonderen Beschäftigungsinteresses in Betracht. Dafür müsse der Verfügungskläger darlegen und glaubhaft machen, dass er zur Erhaltung seiner beruflichen Qualifikation oder zur Verwirklichung seines Persönlichkeitsrechts oder zur Vermeidung von unverhältnismäßigen Eingriffen in sein Persönlichkeitsrecht gerade auf die Beschäftigung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache angewiesen sei. Ein solcher Vortrag sei dem Verfügungskläger nicht gelungen. Der schlichte Zeitablauf könne den Verfügungsgrund nicht begründen.

Gegen das ihm am 18.01.2021 zugestellte und wegen der weiteren Einzelheiten in Bezug genommene Urteil hat der Verfügungskläger am 27.01.2021 Berufung eingelegt und gleichzeitig begründet.

Er hält dem Arbeitsgericht entgegen, es habe die Maßstäbe für das Vorliegen eines Verfügungsgrundes verkannt. Da er sich in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinde, habe er grundsätzlich ein Beschäftigungsinteresse. Deswegen müsse der Arbeitgeber darlegen, warum seine Interessen an der Freistellung höher zu bewerten seien. Der Erlass der einstweiligen Verfügung sei nach wie vor geboten, weil die Verfügungsbeklagte eine Art Kettenfreistellung praktiziere.

Er beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 14.01.2021, 5 Ga 2/2...

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