Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung tariflicher Entgelterhöhungen auf übertarifliche Entgeltbestandteile: vollständige und gleichmäßig Anrechnung. Anrechnung tariflicher Entgelterhöhungen auf übertarifliche Entgeltbestandteile. Keine Mitbestimmung des Betriebsrats

 

Leitsatz (redaktionell)

Ob eine Tarifentgelterhöhung individualrechtlich auf ein übertarifliches Entgelt angerechnet werden darf, hängt von der dem Arbeitsverhältnis zugrunde liegenden Entgeltabrede ab. Dabei spricht die tatsächliche Zahlung einer Zulage noch nicht für die Annahme eines anrechnungsfesten selbständigen Entgeltbestandteils. Ebenso wenig lässt sich eine anrechnungsfeste Zulage annehmen, wenn diese über einen längeren Zeitraum vorbehaltlos gezahlt und nicht mit Tarifentgelterhöhungen verrechnet worden ist. 2. Erhöht sich das Tarifentgelt, entspricht die Zulässigkeit der Anrechnung sogar regelmäßig dem Willen der Arbeitsvertragsparteien, denn die Gesamtvergütung verringert sich nicht. 3. Eine Anrechnung unterliegt nicht der Mitbestimmung, wenn die Tarifentgelterhöhung im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen vollständig und gleichmäßig auf die übertarifliche Zulage angerechnet wird. 4. Die Tatsache, dass die Anrechnung einer Tarifentgelterhöhung aufgrund einer zuvor geschlossenen Individualvereinbarung bei einem einzelnen Arbeitnehmer unterblieben ist, führt nicht zur Annahme einer nicht gleichmäßigen Anrechnung.

 

Normenkette

BetrVG § 87 I Nr. 10; BGB § 611 Abs. 1; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10

 

Verfahrensgang

ArbG Detmold (Entscheidung vom 20.10.2011; Aktenzeichen 3 Ca 418/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 20.10.2011 - 3 Ca 418/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten zur Anrechnung tariflicher Entgelterhöhungen auf übertarifliche Entgeltbestandteile des Klägers.

Auf das Arbeitsverhältnis des seit Jahren bei der Beklagten beschäftigten Klägers finden kraft beiderseitiger Zugehörigkeit zu den tarifschließenden Parteien die Tarifverträge für die kunststoffverarbeitende Industrie im Kreis Lippe Anwendung. Die Beklagte vergütet die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer übertariflich.

Bis einschließlich September 2010 erhielt der Kläger folgendes Entgelt:

Stundenlohn 13,36 €

außertarifliche Zulage 0,81 €

Stundenlohn insgesamt 14,17 €.

Mit Aushang vom 27.10.2010 teilte die Beklagte ihren Mitarbeitern folgendes mit:

"Tarifergebnis 2010

Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter!

Wie Sie sicher bereits erfahren haben, einigten sich die Tarifpartner auf eine Erhöhung der Entgelte zum 01. Oktober 2010 um 2,0 %, ferner einer weiteren Erhöhung zum 01. April 2011 um weitere 2,0 %, sowie zur Leistung einer Einmalzahlung in Höhe von EUR 120,00 (Auszubildende EUR 60,00, Teilzeitkräfte anteilig) mit einer Laufzeit von 14 Monaten.

Hiermit setzen wir Sie davon in Kenntnis, dass wir uns aufgrund unserer derzeitigen wirtschaftlichen Situation bedauerlicherweise nicht in der Lage sehen, diese Entgelterhöhung an unsere Mitarbeiter/-innen weiterzugeben, die bereits verrechenbare übertarifliche Zulagen erhalten.

Wir sehen uns daher gezwungen, diese Lohnerhöhung mit eventuell vorhandenen übertariflichen-, bzw. freiwilligen Lohn-/Gehaltsbestandteilen (AT-Zulagen), zu verrechnen.

Von dieser Anrechnung sind ausnahmslos alle Mitarbeiter/-innen betroffen, bei denen eine anrechenbare Zulage vorhanden ist.

Wir bitten um Ihr Verständnis für diese Maßnahme.

G1 K2-T1 GmbH & Co.KG

H2 B2"

Ab Oktober 2010 rechnete die Beklagte bei allen übertariflich entgoltenen Mitarbeitern zunächst die Tarifentgelterhöhung von 2 % auf die übertariflichen Entgeltbestandteile an. Hiervon ausgenommen blieb lediglich der Mitarbeiter F., mit dem die Beklagte am 28.04.2008 eine Vereinbarung getroffen hatte, wonach dem Mitarbeiter F. zugesichert wurde, "dass bei tariflichen Lohnerhöhungen keine Anrechnung der AT-Zulage vorgenommen wird. Dies gilt allerdings nur für die tariflichen Lohnerhöhungen, die in den Jahren 2008, 2009 und 2010 erfolgen."

Die Tarifentgelterhöhung um 2 % ab April 2011 rechnete die Beklagte bei ausnahmslos allen übertariflich vergüteten Arbeitnehmern an.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, die Beklagte habe bei der Anrechnung zu Unrecht die Mitbestimmung des Betriebsrats unberücksichtigt gelassen und beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 1. an den Kläger € 41,96 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.11.2010 zu zahlen, 2. an den Kläger € 43,96 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.12.2010 zu zahlen, 3. an den Kläger € 45,95 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.01.2011 zu zahlen, 4. an den Kläger € 41,96 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.02.2011 zu zahlen, 5. an den Kläger € 39,96 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem ...

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