Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung eines gerichtlichen Vergleichs. Auslegung von Tarifnormen. Tarifliches Urlaubsgeld (nur) für jeden tariflichen Urlaubstag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Auslegung eines gerichtlichen Vergleichs erfolgt nach Grundsätzen der Auslegung von Verträgen. Gem. § 133 BGB ist bei Willenserklärungen zunächst vom Wortlaut auszugehen, maßgeblich ist aber der wirkliche Wille der Vertragsparteien aus der Sicht des Empfängerhorizonts. Bei Verträgen sind gem. § 157 BGB bei der Auslegung auch Treu und Glauben und die Verkehrssitte zu berücksichtigen.

2. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages erfolgt zunächst nach dem Wortlaut. Reicht dieser nicht aus, kommen danach der wirkliche Wille der Tarifparteien, der beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifregelung, die Tarifsystematik und - wenn Zweifel bleiben - auch die Entstehungsgeschichte, die praktische Tarifausübung und die Praktikabilität als Auslegungskriterien in Betracht.

3. Die Auslegung der einschlägigen Tarifnorm führt dazu, dass die Tarifvertragsparteien ein Urlaubsgeld nur für tarifliche Urlaubstage regeln wollten, nicht aber auch für Tage des gesetzlichen Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157; UTV MTV v. 27.03.2015 § 6 Abs. 1, § 14 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Hamm (Entscheidung vom 02.10.2018; Aktenzeichen 1 Ca 720/18)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 02.10.2018 - 1 Ca 720/18 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird für den Kläger hinsichtlich des Streitgegenstandes aus dem Antrag zu 2. aus der Berufungsbegründungsschrift vom 17.01.2019 zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Erhöhung einer übertariflichen Zulage zum einen, um die Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes für den gesetzlichen Zusatzurlaub schwerbehinderter Menschen zum anderen.

Die Beklagte ist auf dem Gebiet der Erfrischungsgetränkeindustrie tätig und ihrerseits tarifgebunden. Der 1962 geborene, schwerbehinderte Kläger ist bei dieser seit dem 01.05.1991 als Fahrer beschäftigt und Mitglied der NGG.

Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge der Erfrischungsgetränkeindustrie NRW sowie die zwischen der NGG und der Beklagten abgeschlossenen Unternehmenstarifverträge Anwendung.

Die Beklagte zahlt an den Kläger ein Bruttomonatsentgelt, welches neben einem Gehalt und einer Ausgleichszahlung auch die Zahlung einer übertariflichen Zulage umfasst.

Die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der übertariflichen Zulage ergibt sich aus einem Prozessvergleich, den die Parteien im Jahr 2005 im Verfahren 19 Sa 87/05 vor dem LAG Hamm geschlossen hatten. Dieser beinhaltet u.a. in Ziffer 2 b) die nachfolgende Vereinbarung:

"2. Einigkeit besteht zwischen den Parteien auch darüber, dass dem Kläger unter Berücksichtigung der Tatsache, dass er seit dem 01.07.1996 die Vergütung nach der Vergütungsgruppe VIII erhielt, obwohl er lediglich als Disponent tätig war, wegen dieser Einzelfallbesonderheit für die Tätigkeit als Disponent folgender Vergütungsanspruch zusteht:

a) Vergütung nach der Vergütungsgruppe VII c

b) eine übertarifliche Zulage von 480,-- Euro pro Monat, die bei künftigen Tariflohnerhöhungen nicht angerechnet werden darf, sondern entsprechend der Erhöhung der Tarifvergütung erhöht werden muss."(Bl. 12 f. d.A.)

Die monatliche Vergütung des Klägers setzte sich ausweislich der Lohnabrechnung für den Monat Dezember 2017 aus einer Bruttomonatsvergütung von 2.753,00 EUR, einer Ausgleichszahlung in Höhe von 827,11 EUR brutto und einer übertariflichen Zulage in Höhe von 611,76 EUR brutto zusammen.

Nachdem sich die Tarifvertragsparteien im Jahre 2017 über eine Tariflohnerhöhung zum 01.01.2018 in Höhe von 100,00 EUR brutto geeinigt hatten, setzte die Beklagte die Tariflohnerhöhung in der Weise um, dass sie das monatliche Bruttogehalt des Klägers um 100,00 EUR und die übertarifliche Zulage um einen Betrag in Höhe von 17,13 EUR erhöhte (Bl. 9/10 d.A.).

Des Weiteren zahlt die Beklagte je tariflichem Urlaubstag ein zusätzliches tarifliches Urlaubsgeld. Hinsichtlich des gesetzlichen Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen leistete sie eine solche Zahlung nicht.

In Bezug auf das tarifliche Urlaubsgeld enthält der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare einheitliche Manteltarifvertrag der Erfrischungsgetränkeindustrie NRW vom 20.02.2001 in § 14 Nr. 4 eine Regelung, die wie folgt lautet:

" § 14

Jahressonderzahlung und Urlaubsgeld

(...)

4. Das Urlaubsgeld beträgt ab 2001 DM 21,00 je tariflichem Urlaubstag. Ab 2002 ist die Höhe des Urlaubsgeldes dem jeweiligen Entgelttarifvertrag zu entnehmen" (Bl. 93 d. A.)"

Die Beklagte und die Gewerkschaft NGG schlossen am 27.03.2015 den Unternehmenstarifvertrag "Geltung von Manteltarifverträgen" (folgend als "UTV MTV" bezeichnet).

In diesem heißt es unter anderem:

" § 2

Geltung von Manteltarifverträgen

Die Unternehmen verpflichten sich, die jeweiligen regionalen Manteltarifverträ...

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