Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss von beurlaubten Beamten von Sozialplan. Beachtung des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Sonderprämie für Wechsel in Transfergesellschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Soweit der Sozialplan Arbeitnehmern nur dann Ansprüche auf Zahlung einer Abfindung zubilligt, wenn es sich nicht um beurlaubte Beamte handelt, liegt keine unzulässige Ungleichbehandlung vor. Vergleicht man beide Gruppen, so ist festzustellen, dass die Nachteile, die den beurlaubten Beamten infolge der Betriebsstilllegung entstehen, jedenfalls geringer sind, als die Nachteile, die den anderen Arbeitnehmern entstehen, denn das Beamtenverhältnis lebt wieder auf.

 

Normenkette

BetrVG §§ 112, 111, 75

 

Verfahrensgang

ArbG Herne (Entscheidung vom 04.02.2014; Aktenzeichen 3 Ca 2194/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 08.12.2015; Aktenzeichen 1 AZR 789/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 04.02.2014 - 3 Ca 2194/13 - unter Zurückweisung der Berufung des Klägers dahin abgeändert, dass die Klage vollen Umfangs abgewiesen wird.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.

Der am 06.03.1962 geborene Kläger ist verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Seit dem 01.07.1985 war er im Dienste der Bundesrepublik Deutschland als Beamter bei der Deutschen Bundespost tätig. Mit der Privatisierung der Deutschen B nimmt E AG die Dienstherreneigenschaft aufgrund des Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen B wahr. E AG beurlaubte den Kläger nach § 13 Abs. 1 der Sonderurlaubsverordnung unter Wegfall der Besoldung für eine Tätigkeit bei der W GmbH. Zum 01.01.2008 erwarb die Beklagte den Geschäftsbetrieb der W GmbH. Sämtliche bei der W GmbH bestehende Arbeitsverhältnisse, darunter auch das Arbeitsverhältnis des Klägers, gingen auf die Beklagte über. Die Beklagte erbrachte mit zuletzt rund 950 Mitarbeitern, darunter rund 190 beurlaubte Beamte der E2 AG, an 16 Standorten in Deutschland Dienstleistungen auf dem Telekommunikationssektor. Der Kläger bezog zuletzt ein monatliches Entgelt von 3.923,83 € brutto.

In den Jahren 2010 bis 2012 erstritten einige Arbeitnehmer der Beklagten, die nicht zu den beurlaubten Beamten gehörten, rechtskräftig obsiegende Urteile gegen E AG, wonach die Arbeitsverhältnisse mit der E2 AG mangels rechtswirksamer Beendigung fortbestanden haben. Später ergingen entsprechende Anerkenntnisurteile zugunsten weiterer Arbeitnehmer.

Am 05.12.2012 wurden die Beschäftigten der Beklagten im Rahmen einer Betriebsversammlung über eine beabsichtigte Schließung des Geschäftsbetriebs der Beklagten informiert.

Am 29.04.2013 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat einen Interessenausgleich zur Betriebsschließung und einen Sozialplan ab. Der Sozialplan lautet auszugsweise:

"Präambel

(1) Infolge der Betriebsstilllegung, die im Interessenausgleich vom 29.04.2013 beschrieben ist, entsteht die Notwendigkeit, die wirtschaftlichen und sozialen Nachteile auszugleichen bzw. abzumildern, die den Mitarbeitern entstehen.

(2) Die Betriebsparteien möchten durch diesen Sozialplan insbesondere die Bedingungen dafür schaffen, dass die von Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeiter der NSN S bei ihrer notwendigen beruflichen Neuorientierung unterstützt werden. Zu diesem Zweck soll den Mitarbeitern nach Maßgabe dieses Sozialplans neben der Zahlung von Abfindungen auch der Abschluss von Transferarbeitsverhältnissen angeboten werden.

(3) Das zur Verfügung stehende Sozialplanvolumen ist knapp bemessen und reicht nicht annähernd für den Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile aller Mitarbeiter aus. Vor diesem Hintergrund haben die Betriebsparteien das ihnen zustehende Ermessen so ausgeübt, dass die aus ihrer Sicht gravierendsten wirtschaftlichen Nachteile gemildert werden, die im Hinblick auf die zukunftsgerichtete Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion des Sozialplans in erster Linie durch Arbeitslosigkeit entstehen. Sie verkennen dabei nicht, dass auch beurlaubten Beamten bei Rückkehr zur E2 AG Nachteile entstehen können, z. B. durch ein geringeres Entgelt oder einen Ortswechsel. Beurlaubte Beamte erleiden jedoch typischerweise wesentlich geringere wirtschaftliche Nachteile als diejenigen ohne Beamtenstatus, da sie normalerweise weder von Arbeitslosigkeit bedroht sind noch ihr Rückkehranspruch zur E2 AG bzw. ihr erworbener Besitzstand bestritten wird.

1.

Geltungsbereich

1.1 Dieser Sozialplan gilt für alle Mitarbeiter der NSN S an allen Standorten in der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie von personellen Maßnahmen infolge der Betriebsstilllegung gemäß des Interessenausgleichs betroffen sind oder betroffen sein werden.

1.2 Dieser Sozialplan gilt nicht für [...]- ...- beurlaubte Beamte.

- ..."

Außerdem schlossen die Beklagte und der Betriebsrat am 29.04.2013 eine "Betriebsvereinbarung Sonderprämie" ab. In dieser...

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