Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen des Anspruchs eines Arbeitnehmers auf Zahlung einer Abfindung im Kündigungsschutzverfahren. Anforderungen an ein Angebot nach § 1a KSchG
Leitsatz (redaktionell)
1. Verbindet der Arbeitgeber die betriebsbedingte Kündigung mit dem Angebot einer bezifferten Abfindung, so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob es sich um ein konstitutives Angebot auf eine höhere oder niedrigere Abfindung als in § 1a Abs. 2 KSchG handelt, das der Annahme durch den Arbeitnehmer bedarf, oder ob der Arbeitgeber nur einen (deklaratorischen) Hinweis auf die Berechnung nach § 1a Abs. 2 KSchG geben wollte.
2. Das Angebot einer niedrigeren Abfindung als in § 1a Abs. 2 KSchG vorgesehen setzt nicht voraus, dass der Arbeitnehmer bereits im Kündigungsschreiben selbst unmissverständlich darauf hingewiesen wird, dass das Angebot nicht ein solches nach § 1a Abs. 2 KSchG ist.
3. Das Angebot einer Abfindung nach § 1a KSchG setzt stets voraus, dass der Arbeitgeber erklärt, er wolle eine Abfindung in der gesetzlich vorgesehenen Höhe zahlen.
Normenkette
KSchG § 1a; MTV für die Angestellten der Bekleidungsindustrie in Westfalen § 18; KSchG § 1a Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Rheine (Entscheidung vom 30.10.2014; Aktenzeichen 4 Ca 998/14) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 30.10.2014 - 4 Ca 998/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen weiteren Abfindungsanspruch der Klägerin.
Die Klägerin war seit Januar 1989 bei der Beklagten beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war zuletzt der unter dem 01.04.1993 geschlossene schriftliche Arbeitsvertrag. § 1 des von der Beklagten vorformulierten Arbeitsvertrages lautet wie folgt:
"Inhalt und Beginn des Arbeitsverhältnisses
1.1
... Für das Arbeitsverhältnis geltend die Tarifverträge für die Angestellten in der Bekleidungsindustrie in der jeweils gültigen Fassung, soweit im Folgenden nichts anderes vereinbart ist.
..."
§ 18 des Manteltarifvertrages für die Angestellten der Bekleidungsindustrie in Westfalen vom 27.04.1971 in der Fassung vom 26.05.1999 hat den folgenden Wortlaut:
"Erlöschen von Ansprüchen
1.
Bei bestehendem Arbeitsverhältnis erlöschen Ansprüche auf Vergütung jedweder Art, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Gehaltsabrechnung geltend gemacht worden sind.
2.
Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlöschen alle beiderseitigen Ansprüche aus diesem, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach dem tatsächlichen Ausscheiden aus dem Betrieb schriftlich geltend gemacht worden sind und innerhalb eines weiteren Monats Klage erhoben wird.
..."
Mit Schreiben vom 15.07.2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 28.02.2014. Das Kündigungsschreiben hat folgenden Wortlaut:
"Sehr geehrte Frau C,
hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis, aus dringenden betriebsbedingten Gründen, ordentlich zum 28.02.2014. Der Betriebsrat wurde vor dem Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört.
Wenn Sie die dreiwöchige Frist für die Erhebung einer Klage gegen diese Kündigung verstreichen lassen, ohne Klage zu erheben, haben Sie mit Ablauf ihrer Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindungszahlung in Höhe von 32.150,00 €.
..."
Der von der Beklagten in dem Kündigungsschreiben angebotene Betrag von 32.150,00 Euro entspricht nicht der Abfindungshöhe nach § 1 a Abs. 2 KSchG.
Mit Schreiben vom 22.07.2013 forderte der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung zum 02.08.2013 zur Zahlung der gesetzlich normierten Abfindung nach § 1 a Abs. 2 KSchG von 0,5 des Bruttomonatsgehalts pro Jahr der Betriebszugehörigkeit, konkret 47.977,36 Euro, auf. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten wies den Klägervertreter telefonisch am 02.08.2013 darauf hin, dass es sich nicht um die gesetzliche, sondern um eine frei gewählte Abfindung handele und sich die Beklagte nicht an der Regelung des § 1 a KSchG orientiert habe; sie werde eine weitere Abfindungszahlung nicht leisten.
Die Kläger ließ die Klagefrist nach § 4 Satz 1 KG streichen; die Beklagte zahlte 32.150,00 Euro brutto an die Klägerin.
Mit Schreiben vom 23.08.2013 forderte der Klägervertreter die Beklagte erneut auf, eine Abfindungszahlung entsprechend § 1 a KSchG zu leisten. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 19.09.2013 die geltend gemachten Ansprüche erneut zurück und wiederholte, dass es sich bei ihrem Angebot um eine freiwillige Abfindung handele. Sie habe im Zusammenhang mit mehreren betriebsbedingten Kündigungen den betroffenen Arbeitnehmern etwa 40 Prozent eines Bruttomonatsentgelts pro Jahr der Betriebszugehörigkeit angeboten.
Mit weiterem Schreiben vom 13.05.2014, der Beklagten am 15.05.2014 zugegangen, beanspruchte die Klägerin den Differenzbetrag zwischen der Abfindung nach § 1 a Abs. 2 KSchG und dem gezahlten Betrag von 32.150,00 Euro. Mit ihrer bei Gericht am 25.06.2014 eingegangenen Klageschrift hat die Klägerin den Abfindungsdifferenzbetrag weiter verfolgt.
Di...