Entscheidungsstichwort (Thema)
Bündnis für Arbeit. OT-Mitgliedschaft, Abweichung vom Tarifvertrag. Günstigkeitsprinzip
Leitsatz (amtlich)
Haben die Vertragsparteien im tarifgebundenen Arbeitsverhältnis eine vom Manteltarifvertrag abweichende höhere Arbeitszeit bei gleich bleibender Vergütung vereinbart, so ist die Differenzvergütung auch dann nachzuzahlen, wenn der entsprechende Lohntarif nur noch nachwirkt.
Normenkette
TVG § 3 Abs. 1; MTV Einzelhandel
Verfahrensgang
ArbG Münster (Urteil vom 03.02.2006; Aktenzeichen 4 Ca 2526/05) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 03.02.2006 – 2 Ca 2526/05 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 663,00 Euro brutto nebst Prozesszinsen i.H.v. 5 % Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 03.11.2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche des Klägers.
Der Kläger steht seit dem 15.01.1998 bei der Beklagten aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 23.10.1997 als Lagermitarbeiter in deren Möbelhaus in M2xxxxx in einem Arbeitsverhältnis.
Im Arbeitsvertrag ist unter § 1 Nr. 2 unter anderem vereinbart, dass der Kläger als Vollzeitkraft mit 37,5 Stunden wöchentlich eingestellt wird. In § 4 Ziffer 2 des Arbeitsvertrages ist ein monatliches Entgelt in Höhe von 3.148,– DM vereinbart. Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Die Beklagte ist Mitglied im Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe e.V., der seinerseits Mitglied des Einzelhandelsverbandes Nordrhein-Westfalen e.V. als Tarifträgerverband ist. Mit schriftlicher Erklärung vom 20.09.2004 gegenüber dem Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe e.V. hat die Beklagte von der in § 3 Abs. 2 der Satzung des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe e.V. vorgesehenen Möglichkeit, die Mitgliedschaft in diesem Verband unter Ausschluss der Tarifbindung und gleichzeitigem Ausschluss an Mitgliedschafts- und Mitwirkungsrechten in tariflichen Angelegenheiten zu begründen, Gebrauch gemacht. Seit dem 01.11.2004 wird sie vom Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe e.V. als Mitglied ohne Tarifbindung geführt.
Während des Bestehens des Beschäftigungsverhältnisses rechnete die Beklagte ausweislich der Gehaltsabrechnungen durchgehend ein festes Monatsbruttogehalt in Höhe von zuletzt 1.801,15 EUR ab.
Unter dem 03.03.2005 unterzeichneten die Parteien folgende Vereinbarung:
„Die Parteien sind sich darüber einig, dass der zwischen ihnen bestehende Arbeitsvertrag mit Wirkung ab dem 01.04.2005 wie folgt geändert wird. Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter. Ebenso bleibt die Dauer der Betriebszugehörigkeit gewahrt.
Arbeitszeit
Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden.
Zuschläge
Auf Spätöffnungs- und Mehrarbeitszuschläge besteht kein Anspruch.
Sonderzahlungen
1. Ein eventueller bisheriger Anspruch auf Sonderzahlungen (Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld) entfällt.
2. Hat der Arbeitnehmer im November 2004 ein Weihnachtsgeld erhalten, so gilt folgendes: Mit der Lohnabrechnung November wird eine Sonderzahlung in Höhe von 30 % des in 2004 gezahlten Weihnachtsgeldes fällig. Diese Sonderzahlung erfolgt freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch darauf entsteht. Auch bei mehrmaliger Zahlung entsteht für die Zukunft kein Anspruch darauf. Ebenfalls erhält der Arbeitnehmer einmalig im Juni 2005 eine Sonderzahlung in Höhe von 75 % des Urlaubsgeldanspruchs.
Urlaub
Der Urlaub beträgt ab dem 01.01.2005 nach Lebensalter gestaffelt:
- bis zum vollendeten 20. Lebensjahr 24 Arbeitstage je Kalenderjahr
- nach dem vollendeten 20. Lebensjahr 26 Arbeitstage je Kalenderjahr
- nach dem vollendeten 23. Lebensjahr 27 Arbeitstage je Kalenderjahr
- nach dem vollendeten 30. Lebensjahr 28 Arbeitstage je Kalenderjahr”
Im Hinblick auf die Vereinbarung hat die Beklagte im März 2005 schriftlich gegenüber dem Kläger auf eine betriebsbedingte Kündigung bis zum 28.02.2007 verzichtet.
In der Folgezeit arbeitete der Kläger nunmehr 40 Stunden pro Woche und erhielt weiterhin ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 1.801,15 EUR.
Mit der beim Arbeitsgericht am 27.10.2005 eingegangenen Klage machte der Kläger die Zahlung seiner Vergütungsdifferenz für die Monate April bis einschließlich September 2005 geltend. Dabei legte er zugrunde, dass er monatlich 10 Stunden mehr arbeitet als im Arbeitsvertrag vorgesehen und er bei einem errechneten Stundenlohn von 11,05 EUR monatlich 110,50 EUR brutto zu wenig erhalten habe. Er hat die Auffassung vertreten, mit der Vereinbarung vom 03.03.2005 habe er keiner Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich zugestimmt. Der Inhalt der Vereinbarung sei nämlich so zu verstehen, dass sich lediglich die wöchentliche Arbeitszeit geändert habe, die zu zahlende Vergütung aber entsprechend anzupassen sei. Auch in der Vergangenheit habe er jede Stunde, die er gearbeitet habe, vergütet bekommen.
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 663,00 EUR ...