Urteil aufgehoben und abgeändert 20.05.2009

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Mehrarbeitsvergütung. Dauer des Jahresurlaubs. tarifliches Urlaubsgeld. Tarifbindung. OT-Mitgliedschaft. vertragliche Abänderung von Arbeitsvertragsbedingungen vor Beendigung der Tarifbindung nach § 3 Abs. 3 TVG. Nachwirkung. „andere Vereinbarung” nach § 4 Abs. 5 TVG Führende Parallelsache zu 18 Sa 508/07 und 18 Sa 570/07!

 

Leitsatz (amtlich)

Eine arbeitsvertragliche Regelung, die auf Abänderung einer tariflichen Regelung zu Ungunsten des Arbeitnehmers gerichtet ist und dahin ausgelegt werden kann, dass sie zumindest nach Ablauf der Tarifbindung die Nachwirkung beseitigen soll, ist nicht nach § 4 Abs. 3 TVG unwirksam, sondern wird lediglich bis zum Ablauf der Tarifbindung durch den Tarifvertrag verdrängt.

 

Normenkette

BGB § 611 Abs. 1; TVG § 3 Abs. 1, 3, § 4 Abs. 3, 5; MTV Einzelhandel NRW vom 25.07.2003; TV Sonderzahlungen Einzelhandel NRW vom 20.09.1996

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Urteil vom 24.01.2007; Aktenzeichen 3 Ca 1280/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.05.2009; Aktenzeichen 4 AZR 232/08)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 24.01.2007 – 3 Ca 1280/06 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin auf das tarifliche Urlaubsgeld für das Jahr 2006, auf Vergütungsansprüche für in den Monaten April bis Juni 2006 geleistete Arbeitszeit sowie die Gutschrift von zwei Urlaubstagen auf das Urlaubskonto der Klägerin.

Die am 09.07.1970 geborene Klägerin ist seit dem 01.06.1992 bei der Beklagten als Dekorateurin beschäftigt, zuletzt als stellvertretende Abteilungsleiterin der Deko-Abteilung. Ihr Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt 2.136,– EUR. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der schriftliche Arbeitsvertrag, in dem u.a. Folgendes geregelt wird:

§ 1 Anstellung

3. Die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen in ihrer jeweils geltenden Fassung und deren Nachfolgeverträge sind Bestandteil dieses Vertrages.

Besteht eine Betriebs- und/oder Sozialordnung, so ist/sind auch diese Bestandteil dieses Vertrages in ihrer jeweils geltenden Fassung.

§ 7 Urlaub und Urlaubsgeld

1. Jeglicher Urlaubsanspruch entsteht erstmalig nach mehr als dreimonatiger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit. Die Dauer des Urlaubs richtet sich nach den tariflichen Bestimmungen.

2. Der Urlaub beträgt demnach zur Zeit 27 Werktage im Kalenderjahr, für 1991 anteilig.

3. Der/Die Arbeitnehmer/in erhält ein Urlaubsgeld entsprechend den tarifvertraglichen Bestimmungen. Das Urlaubsgeld beträgt demnach zur Zeit 1.233,– DM, für 1991 anteilig.

In dem einschlägigen Manteltarifvertrag für den Einzelhandel Nordrhein-Westfalen e.V. vom 25.07.2003 (MTV), der am 31.03.2006 außer Kraft trat, war u.a. Folgendes geregelt:

§ 2 Arbeitszeit

(1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 37,5 Stunden ausschließlich der Pausen. Im Übrigen richtet sich die Arbeitszeit nach den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes, der Gewerbeordnung, des Jugendarbeitsschutzgesetzes sowie des Mutterschutzgesetzes.

§ 4 Mehrarbeit

(1) Mehrarbeit für Vollbeschäftigte ist jede über die vereinbarte oder festgelegte tägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeit, sofern sie nicht gemäß § 2 Abs. 5 ausgeglichen wird. Mehrarbeit für Teilzeitbeschäftigte ist jede Arbeitszeit, die über die in § 2 Abs. 1 geregelte Arbeitszeit hinaus geleistet wird.

(2) Eine über die tarifliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit bis zu 40 Stunden je Woche ist als zuschlagfreie Mehrarbeit zu vergüten.

§ 15 Urlaub

(2) Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Maßgebend für die Urlaubsdauer ist das Lebensalter bei Beginn des Kalenderjahres.

(3) Der Urlaub beträgt je Kalenderjahr:

bis zum vollendeten 20. Lebensjahr 30

nach dem vollendeten 20. Lebensjahr 32

nach dem vollendeten 23. Lebensjahr 34

nach dem vollendeten 30. Lebensjahr 36 Werktage

Tariflich eingruppiert ist die Klägerin in die Gehaltsgruppe G I 6. Sie erhält für ihre Funktion als stellvertretende Abteilungsleiterin weiter eine Zulage in Höhe von 150,– EUR.

Die Klägerin ist seit 1987 Mitglied der Gewerkschaft ver.di bzw. der Rechtsvorgängerin HBV.

Die Beklagte ist Mitglied des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe. Durch Schreiben vom 20.09.2004 erklärte die Beklagte gegenüber dem Einzelhandelsverband den Ausschluss der Tarifbindung (Bl. 111 d.A.). Mit Schreiben vom 23.09.2004 (Bl. 112 d.A.) bestätigte der Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe die Annahme des Antrags zum Wechsel in die OT-Mitgliedschaft. Seit dem 01.11.2004 wird die Beklagte nur noch als Mitglied ohne Tarifbindung beim Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe geführt. Das Verfahren des Erwerbs der Mitgliedschaft ist in § 3 der Satzung des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe e.V. (Bl. 113, 114 d.A.) geregelt.

Die Parteien schlossen unter dem 01.03.2005 eine Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages (Bl. 10 d.A.), in der die ...

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