Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorübergehende Zuweisung eines Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu einem Dritten mit Zustimmung des Beschäftigten: Konkludente Erteilung der Zustimmung? Rechtsmissbräuchliche Verweigerung der Zustimmung, wenn ein wichtiger Grund zu ihrer Verweigerung fehlt? Verwirkung des Rechts des Beschäftigten, sich auf seine fehlende Zustimmung zu berufen?. Zuweisung von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu einem Dritten. Weisungsrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Durch das in § 4 Abs. 2 S. 1 TVöD festgeschriebene Zustimmungserfordernis des Arbeitnehmers wird seine vorübergehende Zuweisung an einen Dritten dem Weisungsrecht des Arbeitgebers entzogen.
2. Es lässt sich § 4 Abs. 2 TVöD nicht entnehmen, dass im Fall der Verweigerung der Zustimmung nach dem Willen der Tarifvertragsparteien für den Arbeitgeber bei entsprechend sorgfältiger Interessenabwägung ein einseitiges Weisungsrecht entstehen soll.
Normenkette
GewO § 106; TVöD § 4 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Herford (Urteil vom 27.05.2009; Aktenzeichen 2 Ca 1524/08) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 27.05.2009 – 2 Ca 1524/08 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Zuweisung der Klägerin auf die Stelle der Fallmanagerin bei der ARGE Team H1 vom 17.03.2008 unwirksam ist.
Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin als Verwaltungsangestellte der Entgeltgruppe 10 TVöD-VKA in seinen Dienststellen zu beschäftigen.
Die Anschlussberufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Zuweisung der Klägerin zur Arbeitsgemeinschaft für Arbeit im Kreis H1 (ARGE) zuweisen.
Die am 10.04.1961 geborene Klägerin ist seit dem 01.11.1987 als vollzeitbeschäftigte Angestellte bei dem Beklagten tätig.
Gem. § 3 des Arbeitsvertrages vom 24.11.1987 (Bl. 5, 6 d.A.) richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.02.1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung.
Seit dem 01.10.2005 findet auf das Arbeitsverhältnis der TVöD-VKA Anwendung. Die Klägerin ist in die Entgeltgruppe 10 eingruppiert und erzielt ein Bruttomonatsgehalt von 3.500,00 EUR.
Sie war in der Zeit vom 01.07.2005 bis zum 31.03.2008 im Referat „Regionales Bildungsbüro” beschäftigt und dort im Bereich „Schulentwicklungs- und Bildungsplanung” eingesetzt.
Mit Vorlage vom 18.10.2007 (Bl. 59 bis 61 d.A.) wurde dem Kreisausschuss für seine Sitzung am 05.12.2007 u.a. vorgeschlagen, das Bildungsbüro in die traditionelle Linienorganisation zurückzuführen. Entsprechend beschloss der Kreisausschuss in seiner Sitzung, das „Regionale Bildungsbüro” zum 01.01.2008 als unselbständiger Teil dem Amt für Jugend, Schule und Kultur anzugliedern.
Mit Schreiben vom 21.01.2008 (Bl. 13 d.A.) teilte der Beklagte der Klägerin seine Absicht mit, sie der ARGE zuzuweisen, da ihr Einsatz außerhalb des Amtes „Jugend, Schule und Kultur” sachgerecht sei.
Mit Schreiben vom 17.02.2008 (Bl. 14 bis 17 d.A.) bat die Klägerin u.a. um weitere Informationen.
Mit Schreiben vom 17.03.2008 (Bl. 18 d.A.) wies der Beklagte die Klägerin mit Wirkung zum 01.04.2008, befristet bis zum 31.12.2010, der ARGE zu und übertrug ihr die Aufgaben einer Fallmanagerin im Team H1. Er vertrat die Auffassung, diese Tätigkeit entspreche ihrer Ausbildung als Sozialpädagogin, und teilte mit, die Tätigkeit werde gemäß der Entgeltgruppe 10 TVöD-VKA bewertet; der Personalrat habe in seiner Sitzung vom 11.03.2008 zugestimmt.
Mit Schreiben vom 28.03.2008 (Bl. 19 bis 21 d.A.) wies die Klägerin darauf hin, ihr sei zugesagt worden, nicht gegen ihren Willen der ARGE zugewiesen zu werden. Weiter führte sie aus, sie werde der Anweisung des Beklagten entsprechend am 01.04.2008 ihre Tätigkeit bei der ARGE aufnehmen, erkläre jedoch ausdrücklich, dass sie aufgrund der unerklärlichen Vorgehensweise des Beklagten gegen ihren Willen zugewiesen werde.
Mit Schreiben vom 04.04.2008 (Bl. 62 bis 63 d.A.) erklärte die Klägerin, gegen ihren Willen zugewiesen worden zu sein, die Arbeit in der ARGE unter Protest und dem Vorbehalt ihrer Rechte durchzuführen und eine endgültige Erklärung zur Zustimmung nach weiteren Informationen durch den Beklagten abgeben zu wollen.
Mit Schreiben vom 30.04.2008 (Bl. 22 d.A.) reklamierte die Klägerin die Nichtbeantwortung ihres Schreibens vom 28.03.2008 und teilte mit, nach Ablauf einer Frist zur Stellungnahme bis zum 15.05.2008 werde sie die Rechtmäßigkeit der Zuweisung gerichtlich überprüfen lassen.
Mit Schreiben vom 02.06.2008 (Bl. 23 d.A.) verteidigte der Beklagte die Zuweisung als rechtmäßig, da die Stelle einer Fallmanagerin in der ARGE dringend zu besetzen gewesen sei und die Klägerin einen wichtigen Grund zur Verweigerung ihrer Zustimmung nicht habe.
Mit Schreiben vom 23.06.2008 (Bl. 173 d.A.) erklärte diese erneut, mit der Versetzung nicht einverstanden zu se...