Entscheidungsstichwort (Thema)
Gratifikation. Verwirkung. Verzicht. widersprüchliches Verhalten. Treu und Glauben
Leitsatz (amtlich)
Vereinbart der Arbeitgeber wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Unternehmens mit den leitenden Mitarbeitern einen Verzicht auf die vertraglich vereinbarte Weihnachtsgratifikation, so verstößt der als Prokurist tätige Arbeitnehmer gegen Treu und Glauben, wenn er durch sein Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber den Eindruck erweckt, ebenfalls auf die ihm zustehende Gratifikation verzichtet zu haben, obgleich mit ihm eine entsprechende Vereinbarung nicht getroffen worden ist.
Normenkette
BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Münster (Urteil vom 09.07.2009; Aktenzeichen 3 Ca 1721/08) |
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 09.07.2009 – 3 Ca 1721/08 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner am 02.09.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage macht der Kläger, welcher aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages als Leiter der Verwaltung und Prokurist in dem von der Beklagten betriebenen Textilhaus tätig war und aufgrund Eigenkündigung zum 31.05.2008 aus dem Unternehmen ausgeschieden ist, die Zahlung des arbeitsvertraglich vereinbarten Weihnachtsgeldes für das Jahr 2006 geltend. Dem hält die Beklagte entgegen, der Kläger habe – wie die übrigen leitenden Mitarbeiter – seinerzeit mit Rücksicht auf die angespannte finanzielle Situation des Unternehmens auf die Zahlung von Weihnachtsgeld verzichtet oder zumindest den Eindruck eines solchen Verzichts erweckt, weswegen die Geltendmachung der Forderung – zumal nach so langer Zeit – gegen Treu und Glauben verstoße.
Durch Urteil vom 09.07.2009 (Bl. 126 ff. d.A.), auf welches wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Klageantrages Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht nach uneidlicher Vernehmung der Abteilungsleiterin A1 und des früheren Geschäftsführers W2 als Zeugen die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, es könne offen bleiben, ob zwischen den Parteien ein wirksamer Verzichtsvertrag zustande gekommen sei. Jedenfalls verstoße der Kläger mit der Geltendmachung seiner Forderung gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Zum einen sei gerade der Kläger neben dem damaligen Geschäftsführer dafür zuständig gewesen, die in der „Strategiesitzung” vom 28.11.2006 vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verbesserung der Kostenstruktur umzusetzen und für eine rechtssichere Handhabung des für sämtliche leitenden Mitarbeiter vorgesehenen Verzichts auf Weihnachtsgeld zu sorgen. Zum anderen habe der Kläger durch seine spätere Erklärung auf der Gesellschafterversammlung vom 02.02.2007 den Eindruck erweckt, sämtliche leitende Mitarbeiter hätten auf das Weihnachtsgeld verzichtet. Indem der Kläger alle Beteiligten im Glauben gelassen habe, auch er habe eine entsprechende Verzichtserklärung abgegeben, sei der Beklagten die Chance genommen worden, hierauf zu reagieren und auch gegenüber dem Kläger auf eine rechtssichere Verzichtserklärung hinzuwirken. Wie sich aus der Aussage der ebenfalls von der Verzichtsregelung betroffenen Zeugin A1 ergebe, habe der Kläger dieser gegenüber selbst zum Ausdruck gebracht, auch er habe auf die Zahlung von Weihnachtsgeld verzichtet. Unter diesen Umständen stelle sich die Geltendmachung von Ansprüchen nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis als treuwidrig dar.
Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung tritt der Kläger dem Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils entgegen, die Geltendmachung der Forderung verstoße gegen Treu und Glauben. Wie sich aus der Aussage des als Zeuge vernommenen früheren Geschäftsführers W2 ergebe, sei es nicht Sache des Klägers, sondern des Geschäftsführers selbst gewesen, mit den leitenden Mitarbeitern entsprechende Verzichtsabsprachen zu treffen. Unter Berücksichtigung dieser Aufgabenverteilung könne auch keine Pflichtverletzung des Klägers darin gesehen werden, dass er nicht von sich aus initiativ geworden sei und mitgeteilt habe, dass er zu einem dauerhaften Verzicht nicht bereit sei. Für eine entsprechende „Garantenstellung” biete der Arbeitsvertrag keine Grundlage. Gebe es aber keine messbare Pflichtverletzung, scheide auch ein Verstoß gegen Treu und Glauben aus. Ersichtlich habe sich im Übrigen nachträglich die Liquiditätslage der Beklagten deutlich verbessert, so dass nicht nachvollzogen werden könne, warum die Beklagte ausgerechnet die Nichtzahlung des Weihnachtsgeldes 2006 verteidige.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Münster die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5000,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 31.05.2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend und hält an ihrer Auffassu...