Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf nachträgliche Klagezulassung. Verschulden des Rechtsanwalts. Zurechnung des Fehlverhaltens des Büropersonals. Keine ordnungsgemäße Büroorganisation. Klageerhebung bei Schwangerschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine schwangere Arbeitnehmerin hat grundsätzlich die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG einzuhalten, um die Nichtigkeit der Kündigung nach § 134 BGB in Verbindung mit § 9 MuSchG geltend zu machen.

 

Normenkette

KSchG § 5; ZPO § 85 Abs. 2; MuSchG § 9; KSchG § 4; BGB § 134

 

Verfahrensgang

ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 31.07.2013; Aktenzeichen 2 Ca 2561/12)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 31.07.2013 - 2 Ca 2561/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung in der Probezeit und in diesem Zusammenhang um die nachträgliche Zulassung der Feststellungsklage.

Die Klägerin war ab dem 01.07.2012 bei der Beklagten als Schnittdirektrice zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 2.800,00 Euro beschäftigt. Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 29.05.2012 sieht unter Ziffer 2) folgendes vor:

"Die ersten sechs Monate nach der Arbeitsaufnahme haben wir als Probezeit vereinbart. Während der Probezeit kann beiderseits mit einer Frist von 4 Wochen gekündigt werden. Das Probearbeitsverhältnis ist befristet, es endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, am 31.12.2012.

Danach kann das Anstellungsverhältnis von beiden Seiten unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gelöst werden."

Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb nicht mehr als 10 Arbeitnehmer.

Mit Schreiben vom 22.11.2012, der Klägerin am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 20.12.2012.

Am 03.12.2012 begab sich die Klägerin zur Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten, wo der Fristablauf zur Einreichung der Kündigungsschutzklage - zutreffend - auf den 13.12.2012 notiert wurde.

Mit Schreiben vom 05.12.2012, der Beklagten am gleichen Tag per Fax übermittelt, teilte die Klägerin mit, dass sie sich im 5. Schwangerschaftsmonat befinde und daher ein Kündigungsverbot bestehe.

Unter dem 13.12.2012 fertigte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Klageschrift (Bl. 1, 2 d. A.) mit dem Vermerk "Vorab per Telefax: 0209 1787 199". Tatsächlich erfolgte eine vorherige Übermittelung der Klageschrift per Fax indes nicht.

Die Klageschrift vom 13.12.2012 ging auf dem Postwege am 17.12.2012 beim Arbeitsgericht ein; sie wurde der Beklagten am 09.01.2013 zugestellt.

Mit gerichtlichem Fax-Schreiben vom 07.01.2013 wurde der Klägerseite das Eingangsdatum der Klageschrift mit dem 17.12.2012 mitgeteilt. Auch im Gütetermin am 23.03.2013 wurde die Klägerseite nochmals darauf hingewiesen, dass die Klageschrift außerhalb der Frist des § 4 KSchG eingegangen sei. Der Klägervertreter erwiderte, die Klageschrift sei am 13.12.2012 vorab per Fax übersandt worden. Die Beklagtenseite wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Arbeitsverhältnis auf den 31.12.2012 befristet gewesen sei.

Mit Schriftsatz vom 28.03.2013, an diesem Tag beim Arbeitsgericht eingegangen, hat die Klägerin beantragt, ihr wegen Klagefristversäumung Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, die Klageschrift sei von ihrem Prozessbevollmächtigten am 13.12.2012 gefertigt und mit dem Vermerk "Vorab per Fax" versehen worden. Die zuständige Mitarbeiterin O, zuverlässig und grundsätzlich sorgfältig arbeitend, habe es jedoch versäumt, die Vorab-Versendung vorzunehmen. Es bestehe in der Kanzlei die allgemeine Büroanweisung, Schreiben mit dem Vermerk "Vorab per Fax" auch per Fax zu versenden. Dem Wiedereinsetzungsantrag war eine eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten O vom 28.03.2013 beigefügt. Zudem versicherte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Richtigkeit der Angaben anwaltlich.

Mit Schriftsätzen vom 11.04. und 08.05.2013 wies die Klägerin darauf hin, dass ihr Prozessbevollmächtigter nach Erhalt der gerichtlichen Mitteilung vom 07.01.2013 die Mitarbeiterin O angewiesen habe, die Einhaltung der Klageschrift zu prüfen. Diese habe daraufhin mitgeteilt, die Klage sei vorab per Fax versandt worden. Hierauf habe sich ihr Prozessbevollmächtigter verlassen dürfen. Er habe erstmals am 25.03.2013 Kenntnis von dem Umstand erlangt, dass seine Mitarbeiterin O es tatsächlich versäumt hatte, die Klageschrift per Fax zu versenden. An diesem Tage habe er nämlich mit seiner Mitarbeiterin die Faxjournale kontrolliert und festgestellt, dass die Klage vom 13.12.2012 eben nicht per Fax versandt worden sei. Es wird ergänzend verwiesen auf den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung vom 08.05.2013 (Bl. 63 d. A.).

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe die Klagefrist des § 4 KSchG unverschuldet versäumt. Die Kündigung sei wegen des mutterschutzrechtlichen Kündigungsverbots rechtsunwirksam.

Die Klägerin hat be...

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