Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung von Fort- und Weiterbildungskosten. unangemessene Benachteiligung. pro rata temporis. Staffelung
Leitsatz (amtlich)
Eine arbeitsvertragliche Klausel über die Rückforderung von Fort- und Weiterbildungskosten ist dann unangemessen benachteiligend im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB, wenn sie bei einer Rückforderungssumme, die das Bruttomonatseinkommen des fortgebildeten Arbeitnehmers um ein Vielfaches übersteigt, bei einer dreijährigen Bindungsdauer nur eine grobe, jährlich gestaffelte Minderung der Rückzahlungsverpflichtung vorsieht, ohne auf eine ausdifferenzierte, etwa monatliche Staffelung abzustellen.
Normenkette
BGB § 305 ff; BAT-KF § 5; BAT-KF Nr. 7 SR 2a
Verfahrensgang
ArbG Herne (Urteil vom 16.08.2011; Aktenzeichen 2 Ca 1419/11) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 16.08.2011 – 2 Ca 1419/11 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rückforderung von Kosten einer Weiterbildung des Beklagten.
Die Klägerin betreibt ein Krankenhaus. Der Beklagte war bei ihr vom 01.10.2004 bis zum 31.12.2010 als Gesundheits- und Krankenpfleger beschäftigt. Die Parteien legten die Arbeitsvertragsbedingungen zunächst in einem befristeten Arbeitsvertrag vom 31.08.2008 fest. Danach wurde der Beklagte als Krankenpfleger beschäftigt und in die Vergütungsgruppe BAT-KF KR Va, Fg. 7 eingruppiert. Der unbefristete Anschlussvertrag vom 16.06.2008 weist eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe BAT-KF 9a, Fg. 9 aus. Auf das Arbeitsverhältnis finden nach § 6 des Arbeitsvertrages die BAT-Anwendungsordnung und die sich daraus ergebenden Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages in der für Angestellte im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen (BAT-KF) greifenden Bestimmungen in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.
Der Beklagte bewarb sich auf eine von der Klägerin angebotene Weiterbildung. Am 12.12.2005 regelten die Parteien in einer „Nebenabrede zum Arbeitsvertrag”, wegen deren weiteren Inhalts auf Bl. 9 d.A. Bezug genommen wird, dass die Klägerin den Beklagten im Rahmen einer Weiterbildung „Fachpflege Psychiatrie” für den Besuch eines Lehrgangs freistellen und die Lehrgangsgebühren übernehmen werde. In Ziff. 2 dieser Nebenabrede hielten die Parteien fest:
„(2) Der Angestellte verpflichtet sich, die der Ev. Krankenhausgemeinschaft entstandenen Aufwendungen für die Weiterbildung, einschließlich der Lohnfortzahlungskosten – wie nachfolgend beschrieben – zu ersetzen, wenn das Arbeitsverhältnis auf Wunsch des Angestellten oder aus einem von ihm zu vertretenden Grunde endet.
Ausgenommen ist die Kündigung bzw. der Auflösungsvertrag aufgrund einer Schwangerschaft oder Niederkunft in den letzten drei Monaten. Endet das Arbeitsverhältnis wie oben beschrieben, dann sind
- im ersten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs die gesamten Aufwendungen
- im zweiten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs zwei Drittel der Aufwendungen
- im dritten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs ein Drittel der Aufwendungen zurückzuzahlen.”
Die Klägerin bietet ihren Beschäftigten vergleichbare Fortbildungsmöglichkeiten an, wie sie auch der Beklagte wahrnahm. Dazu bedient sie sich, bezogen jeweils auf den konkreten Fortbildungsinhalt, der Formulierungen, wie sie in der Nebenabrede zum Arbeitsvertrag Verwendung fanden.
Der Kläger absolvierte die Weiterbildung zum Fach- und Gesundheitspfleger in der Psychiatrie während der Zeit vom 08.05.2006 bis zum 07.05.2008 und schloss sie erfolgreich ab. Mit Schreiben vom 01.09.2010 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 31.12.2010. Vorausgegangen waren Unstimmigkeiten im Arbeitsverhältnis, die der Beklagte im Verantwortungsbereich der Klägerin sah.
Die Klägerin machte den Beklagten mit Schreiben vom 19.10.2010 unter Hinweis auf die Regelung in Ziff. 2 der Nebenabrede darauf aufmerksam, dass er ein Drittel der Kosten für die Weiterbildung zu erstatten habe. Sie bezifferte dieses Drittel mit 9.246,28 EUR und führte dazu aus, einzustellen seien Lehrgangsgebühren in Höhe von 4.602,26 EUR und die auf 191 Kalendertage der Freistellung entfallenden Entgeltfortzahlungskosten von 23.436,61 EUR. In einem weiteren Schreiben vom 01.04.2011 setze die Klägerin dem Beklagten erfolglos eine Frist zum Ausgleich bis zum 21.04.2011.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, es müsse berücksichtigt werden, dass der Beklagte selbst den Wunsch geäußert habe, zum Fach- und Gesundheitspfleger in der Psychiatrie weitergebildet zu werden. Daraufhin sei es zum Abschluss der Nebenabrede gekommen, die angesichts der sehr speziellen Weiterbildung, die dort geregelt sei, keine allgemeine Geschäftsbedingung darstelle. Während der fast zwei Jahre dauernden Weiterbildung habe sie auf die Arbeitsleistung des Beklagten kaum zurückgreifen können...