Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Erschütterung des Beweiswertes
Leitsatz (redaktionell)
Der Verzicht des Arbeitgebers auf das Recht auf Einschaltung des medizinischen Dienstes bedeutet nicht, dass ihm die Möglichkeit abgeschnitten wird, nach den Grundsätzen des Beweisrechtes den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern.
Normenkette
EFZG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 2; BGB § 611; SGB V § 275 Abs. 1a S. 3
Verfahrensgang
ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 06.09.2007; Aktenzeichen 5 Ca 1245/07) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 06.09.2007 – 5 Ca 1245/07 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte für den Zeitraum 01.05.2007 bis 30.06.2007.
Die am 12.03.1979 geborene Klägerin war in der Zeit vom 01.05.2005 bis zum 30.06.2007 bei der Beklagten als Assistentin der Geschäftsleitung tätig. Ihre Vergütung betrug zuletzt 3.716,80 EUR brutto monatlich.
Mit Schreiben vom 30.03.2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2007. Gegen die Kündigung wehrte sich die Klägerin mit der Kündigungsschutzklage ArbG Gelsenkirchen 4 Ca 679/07. Das Kündigungsschutzverfahren endete durch Vergleich vom 09.04.2008, in dem der Wortlaut des zwischen den Parteien am 19.04.2007 abgeschlossenen Aufhebungsvertrages protokolliert wurde. In dem Vergleich wurde u.a. Folgendes vereinbart:
- Das Arbeitsverhältnis endet gemäß der Kündigung vom 30.03.2007 zum 30.06.2007. Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird dieses ordnungsgemäß abgerechnet. Ein bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eventuell noch vorhandener negativer Gleitzeitsaldo wird nicht in Abzug gebracht.
- Frau J2 erhält das unwiderrufliche Recht, das Arbeitsverhältnis durch schriftliche Anzeige gegenüber dem Arbeitgeber mit einer Ankündigungsfrist von zwei Arbeitstagen zu beenden. Eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist im Sinne der Firma.
- Mit Datum vom 01.06.2007 wird Frau J2 unter Fortzahlung ihrer Bezüge bis zum 30.06.2007 unwiderruflich von der Arbeit freigestellt. Ggf. noch bestehende Urlaubs- und/oder Gleitzeitansprüche werden gegen die Freistellung verrechnet. Frau J2 wird für den Zeitraum vom 17.04.2007 bis zum 31.05.2007 keinen Urlaub bzw. keine Gleitzeit beantragen.
Die Klägerin arbeitete bis zum 27.04.2007 im Betrieb der Beklagten. In der Folgezeit legte sie der Beklagten die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes Dr. S4 vom 30.04.2007 vor, in der das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit ab 30.04.2007 bis zum 04.05.2007 bescheinigt wurde; weiter die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Ärztin Dr. P2 vom 04.05.2007 und vom 16.05.2007, in denen eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde für die Zeit vom 04.05.2007 bis zum 05.06.2007.
Die Beklagte zahlte der Klägerin keine Vergütung für die Monate Mai und Juni 2007.
Mit der vorliegenden am 18.06.2007 erhobenen Klage hat die Klägerin diese Ansprüche geltend gemacht.
Die Klägerin hat behauptet, sie sei in der Zeit vom 30.04.2007 bis zum 05.06.2007, wie durch die ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nachgewiesen, arbeitsunfähig krank gewesen. Die Beklagte habe den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht erschüttert.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.030,98 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz von 3.515,49 EUR seit dem 01.06.2007 und weiteren 3.515,49 EUR seit dem 01.07.2007 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, die Klägerin sei nicht arbeitsunfähig krank gewesen, sondern habe ihre Erkrankung vorgetäuscht.
Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei erschüttert, da die Klägerin vor ihrer angeblichen Erkrankung ab 30.04.2007 sämtliche persönlichen Gegenstände am Arbeitsplatz mit nach Hause genommen sowie an ihrem dienstlichen Computer Ordner und Dateien, die Voraussetzung ihrer Arbeit gewesen seien, gelöscht habe. Zudem habe die Klägerin sich nicht vom Werksarzt untersuchen lassen.
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung von schriftlichen ärztlichen Auskünften bei den Ärzten Dr. S4 und Dr. P2. Wegen des Inhaltes der Auskunft des Arztes Dr. S4 wird auf das Schreiben vom 04.09.2007 (Bl. 73 d.A.) verwiesen. Die Ärztin Dr. P2 erteilte keine Auskunft.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 06.09.2007 der Klage stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Den Streitwert hat es auf 7.030,98 EUR festgesetzt.
In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit sei durch die Vorlage der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durch die Klägerin nachgewiesen worden für den Zeitraum 01.05.2007 bis 30.05.2007. Die Beklagte habe den Beweiswert der Arbeitsunfähig...