Entscheidungsstichwort (Thema)
Erforderlichkeit der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung
Leitsatz (amtlich)
Die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung i.S.d. § 37 Abs. 6 BetrVG kann auch nur teilweise erforderlich sein, wenn die Veranstaltung zeitlich und inhaltlich abtrennbare Inhalte vermittelt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Träger der Schulung in seinen Anmeldeunterlagen einen teilweisen Besuch der Schulungs- und Bildungsveranstaltung vorsieht oder nicht.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 6 S. 1, Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Gelsenkirchen (Aktenzeichen 2 Ca 1415/13) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 13.11.2013 - 2 Ca 1415/13 - abgeändert:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat April 2013 437,31 € brutto nebst Fünf Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 15.07.2013 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Juni 2013 481,06 € brutto nebst Fünf Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 15.07.2013 zu zahlen.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Arbeitsentgelt für die Dauer der Teilnahme an zwei Modulen einer Schulungsveranstaltung.
Der Kläger ist bei der Beklagten in deren Betrieb in Gelsenkirchen seit dem 03.10.1998 beschäftigt. Er ist Mitglied des dort gewählten Betriebsrates und teilfreigestellter Betriebsratsvorsitzender.
U.a. zwischen der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat wurde unter dem 31.07.2012/01.08.2012 eine Betriebsvereinbarung zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (im Folgenden: BV BEM) abgeschlossen. Die BV BEM installiert bei der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) ein sog. Integrationsteam (§ 3 BV BEM) und beschreibt konkrete Aufgaben für dieses Team (§§ 3 u. 4 BV BEM). Das Integrationsteam tagt anlassunabhängig alle zwei Monate und darüber hinaus bei Bedarf; es nimmt mit Beschäftigten, die länger als sechs Wochen innerhalb von 12 Monaten arbeitsunfähig erkrankt waren, Kontakt auf, informiert diese über die Durchführung und die Zielsetzungen des BEM und lädt zu einem Gespräch ein. In dem ersten Gespräch soll mit dem Beschäftigten die Vorgehensweise geklärt und abgestimmt werden und insbesondere die Zustimmung des Beschäftigten zum BEM mit Beteiligung des Integrationsteams eingeholt. Bei Bedarf und bei Zustimmung des Beschäftigten werden sodann weitere interne und externe Fachkräfte durch das Integrationsteam zur Beratung hinzugezogen. Zudem haben auch die Beschäftigten, die weniger als 6 Wochen innerhalb von 12 Monaten arbeitsunfähig erkrankt waren, die Möglichkeit haben, ein Gespräch mit dem sog.Integrationsteam zu führen.
Das Integrationsteam setzt sich gem. § 3 BV BEM aus einem Vertreter des Arbeitgebers, einem Vertreter des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung zusammen. In einer Anlage 1 zur BV BEM werden die Mitglieder des Integrationsteams für die Werke der Beklagten namentlich benannt; für das Werk Gelsenkirchen ist der Kläger aufgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Betriebsvereinbarung wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 9ff d. A.) verwiesen.
Der Betriebsrat fasste am 22.11.2012 den Beschluss, den Kläger zum Seminar “Professionelles Betriebliches Eingliederungsmanagement - Ausbildung zum Eingliederungsberater/zur Eingliederungsberaterin„ anzumelden.
Die Schulungsveranstaltung wird von der Arbeitsgemeinschaft für politische und soziale Bildung im Land Nordrhein-Westfalen e. V. (Arbeit und Leben DGB /VHS NW) angeboten; die Inhalte wurden in Kooperation mit der Return2work-Gesellschaft für Gesundheitsmanagement und der Technischen Universität Dortmund entwickelt. Sie besteht aus vier Modulen mit einer Dauer von je 3 Tagen sowie einer zweitägigen Abschlussveranstaltung mit Zertifikatsvergabe. Die Veranstaltungen finden inOberhausen bzw. Dortmund statt. Die Kosten für einen dreitägigen Schulungsblock betragen 640,00 Euro zzgl. Übernachtung und/oder Verpflegung, die Kosten für den Abschlussworkshop betragen 450,00 Euro zzgl. Übernachtung und/oder Verpflegung. Die Inhalte der einzelnen Module beschreibt das vom Kläger zur Gerichtsakte gereichte Informationsblatt (Bl. 19, 20 d.A.) wie folgt:
“Modul I - Recht:
- Gesetzliche Grundlagen des BEM
- Datenschutz bei Gesundheitsdaten
- Mitbestimmung im BEM-Verfahren
- Betriebs-/Dienstvereinbarung zum BEM
- Zugriffschutz der Dokumentation
- Aktuelle Rechtsprechung und Rechtsforen zum BEM
Modul II - Kommunikation:
- Das Beratungsgespräch
- Umgang mit schwierigen (psychisch kranken/auffälligen) Personen
- Umgang mit unterschiedlichen Personengruppen
- Rollenklärung als Eingliederungsberater/-beraterin
- Krisen- bzw. Konfliktgespräche
Modul III - Leistungen
- Leistungen der Rehaträger
- Hilfen und Leistungen der Integrationsämter
- Unterstützungsange...