Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Arbeitsvertrages hinsichtlich der Höhe der Vergütung
Leitsatz (redaktionell)
Verweist der Arbeitsvertrag zunächst auf den Lohntarifvertrag für den Einzelhandel NRW und enthält er sodann eine bezifferte Vereinbarung für den zu zahlenden Stundenlohn, so ist dies so auszulegen, dass aufgrund der Bezugnahmeklausel das jeweils maßgebende Tarifentgelt vereinbart werden sollte.
Normenkette
Lohntarifvertrag für den Einzelhandel NRW
Verfahrensgang
ArbG Münster (Entscheidung vom 07.03.2014; Aktenzeichen 2 Ca 2418/13) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 07.03.2014 - 2 Ca 2418/13 - abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.572,-- € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.12.2013 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Entgeltansprüche des Klägers gegen die Beklagte aufgrund einer streitigen Bindung an den Lohntarifvertrag für den Einzelhandel NRW.
Der Kläger ist seit dem 01.05.1999, zunächst als Haustischler, zuletzt als Leiter der Hausmontage bei der Beklagten beschäftigt, Grundlage der Beschäftigung war zunächst ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 28.04.1999 (Bl 9-12 GA).
In § 1 Ziffer 3 dieses Arbeitsvertrages heißt es auszugsweise:
"Die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes NRW in ihrer jeweils geltenden Fassung und deren Nachfolgeverträge sind Bestandteil dieses Vertrages."
In § 4 Ziffer 1 war der Passus zur Eingruppierung des Klägers nicht ausgefüllt.
§ 4 Ziffer 2 lautet:
"Stundenlohn 22,33 Euro"
In § 4 Ziffer 4 ist des Weiteren geregelt, dass über das tarifliche Entgelt hinausgehenden Bestandteile gekürzt oder widerrufen werden können, zudem bei einer Erhöhung der Tarife angerechnet werden können.
Die Beklagte ist Mitglied des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe, der wiederum Mitglied im Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen ist.
Die Beklagte war zunächst Mitglied mit Tarifbindung. Mit Schreiben vom 20.09.2004 erklärte sie gegenüber dem Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe den Ausschluss der Tarifbindung zum Ablauf des auf dem Zugang dieser Erklärung folgenden Monats. Mit Schreiben vom 23.09.2004 bestätigte der Verband die Annahme des Antrages zum Wechsel in die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft). Der Verband führt seit dem 01.11.2004 die Beklagte als Mitglied ohne Tarifbindung.
Bis zu diesem Zeitpunkt wurde der Lohn des Klägers regelmäßig entsprechend den Tarifabschlüssen erhöht.
Unter dem 02.03.2005 schlossen die Parteien eine Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages (Bl 13 GA).
Diese hat folgenden Wortlaut:
"Die Parteien sind sich darüber einig, dass der zwischen ihnen bestehende Arbeitsvertrag mit Wirkung ab dem 01.04.2005 wie folgt geändert wird. Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter. Ebenso bleibt die Dauer der Betriebszugehörigkeit gewahrt
Arbeitszeit
Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden
Zuschläge
Auf Spät- und Mehrarbeitszuschläge besteht kein Anspruch
Sonderzahlungen
...
Urlaub
..."
Jedenfalls nach Abschluss dieser Vereinbarung gab die Beklagte Tariflohnerhöhungen im Einzelhandel nicht mehr an den Kläger weiter.
Unter dem 21.07.2007 unterschrieben der Kläger und der künftige Vorgesetze ein als "Personalveränderung" betiteltes Schriftstück (Bl 54 GA), in dem die Zulage von 150,- € auf 200, -€ erhöht wurde. Rubriken zum "Lohn/Gehalt/Vertragsgruppe" und zur "Summe Lohn/Gehalt" waren mit "-" ausgefüllt.
Unter dem 18.10.2010 unterschrieben der Kläger und der bisherige sowie der künftige Vorgesetze ein als "Personalveränderung" betiteltes Schriftstück (Bl 55 GA), nach dem der Kläger eine "Zulage Sicherheitsbeauftragter" in Höhe von 150,-€ erhielt: Entgelt und Zulage waren unter der Gegenüberstellung "bisher" und "künftig" mit gleichlautenden Beträgen angegeben.
Mit Schreiben vom 29.10.2013 machte der Kläger Entgeltdifferenzansprüche für die Zeit von April 2013 bis September 2013 gegenüber der Beklagten erfolglos geltend mit der Begründung, er habe Anspruch auf Vergütung der Lohngruppe IV, Ausgangslohngruppe III, Lohnstaffel d) des Lohntarifvertrages.
Solche Ansprüche verfolgt der Kläger mit der unter dem 23.12.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage weiter.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Entgelttarifverträge für den Einzelhandel seien auf sein Arbeitsverhältnis anwendbar. Dies ergebe sich aus § 1 Ziffer. 3 seines Arbeitsvertrages. Dort sei eine Tarifdynamik vereinbart worden. Früher habe die Rechtsprechung eine solche Regelung zwar als Gleichstellungsabrede angesehen; zwischenzeitlich werde eine solche Abrede aber als dynamische Verweisungsklausel verstanden.
Aufgrund der Änderungsvereinbarung aus März 2005 handele sich bei der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag auch nicht um einen sogenannten Altfall, nach dem die Klausel als Gleichstell...