Entscheidungsstichwort (Thema)
Drohung mit Kündigung bei Weigerung von Lenkzeitüberschreitungen. Weigerung des Arbeitgebers von Vorlage von Berichten. Zur Erklärungspflicht des Beklagten bei fehlender Erinnerung des Klägers
Leitsatz (amtlich)
Stützt der als Kraftfahrer tätige Arbeitnehmer seine auf § 826 BGB gestützte Klage auf Erstattung von Bußgeldern auf die Behauptung, der Arbeitgeber habe die Fahrer unter Kündigungsandrohung zur Durchführung von Touren ohne Rücksicht auf verkehrsrechtliche Vorschriften angehalten, eine Präzisierung des Vorbringens sei ihm jedoch mangels Erinnerung erst nach Vorlage der eingereichten Tagesberichte durch den Gegner möglich, so kann die diesbezügliche Weigerung des Arbeitgebers nicht als Verstoß gegen die prozessuale Erklärungspflicht gem. § 138 Abs. 2 ZPO gewürdigt werden. Die Regeln der "abgestuften Darlegungslast" bzw. "sekundären Behauptungslast" der nicht beweisverpflichteten Partei dienen nicht dazu, dem Gegner unabhängig von der materiell-rechtlichen Rechtslage und ohne Rücksicht auf die Gründe für dessen Erklärungsnot einen substantiierten Tatsachenvortrag zu ermöglichen.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Arnsberg (Entscheidung vom 05.03.2013; Aktenzeichen 2 Ca 702/12 O) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 05.03.2013 - 2 Ca 702/12 O - abgeändert:
Die Klage wird unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 20.11.2012 abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der durch den Erlass des Versäumnisurteils veranlassten Kosten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner Klage nimmt der Kläger, welcher vom 10.01.2011 bis zum 23.08.2011 als Kraftfahrer auf einem Rundholzzug des beklagten Transportunternehmers tätig war, diesen - zuletzt im Wege des Feststellungsantrages - auf Erstattung von Bußgeldern in Höhe von insgesamt ca. 5.000 € in Anspruch.
Diesen Anspruch stützt der Kläger zum einen auf die Behauptung, der Beklagte habe ihm zugesagt, etwaige Bußgelder für Lenkzeitüberschreitungen pp. zu übernehmen. Darüber hinaus habe der Beklagte ihn und die weiteren Fahrer massiv unter Druck gesetzt und eine Überladung der Transportfahrzeuge sowie eine möglichst hohe Anzahl von Arbeitsstunden ohne Rücksicht auf vorgeschriebene Lenk- und Ruhezeiten verlangt mit der Begründung, dass sich ansonsten die Transporte nicht lohnen würden. Den Fahrern sei vorgegeben worden, ihre Pausen nicht zum vorgeschriebenen Zeitpunkt, sondern erst beim Be- oder Entladen zu nehmen und bereits wieder zum Dienst zu erscheinen, obgleich Tagesruhezeiten noch nicht eingehalten seien. Zum Vortrag weiterer Einzelheiten, insbesondere zu den Fahrten, bei welchen die Bußgelder verhängt worden seien, könne er ohne die von ihm eingereichten Tagesberichte keine näheren Angaben machen. Der Umstand, dass der Beklagte die Tagesberichte entgegen der vom Arbeitsgericht erteilten Auflage nicht vorgelegt habe, könne nicht zu seinen Lasten gehen. Entgegen dem Standpunkt des Beklagten sei die Forderung auf Erstattung der Bußgelder auch nicht durch die im Aufhebungsvertrag vom 11.08.2011 enthaltene umfassende Ausgleichsklausel ausgeschlossen, im Gegenteil habe der Beklagte bei dieser Gelegenheit nochmals bestätigt, dass er die Bußgeldbescheide auf jeden Fall bezahlen werde.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 20.11.2012 ist gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil nach Maßgabe des Klageantrages ergangen. Auf den Einspruch des Beklagten hin hat der Kläger beantragt,
das Versäumnisurteil vom 20.11.2012 aufrecht zu erhalten.
Der Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil vom 20.11.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat bestritten, die Übernahme von Bußgeldern zugesagt und die Fahrer unter Druck gesetzt zu haben, die Touren unter Verstoß gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen durchzuführen. Zur Vorlage der eingereichten Tagesberichte sei er nicht verpflichtet, zumal nicht ersichtlich sei, inwiefern sich hieraus relevante Fakten ergeben sollten.
Durch Urteil vom 05.03.2013 (Bl. 102 ff. d. A.), auf welches wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht nach Anhörung des Klägers und uneidlicher Vernehmung des Beklagten als Partei zu den Gesprächen bei Abschluss des Aufhebungsvertrages das Versäumnisurteil vom 20.11.2012 aufrechterhalten. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, zwar könne der Kläger seinen Anspruch nicht auf die behauptete Zusage zur Übernahme von Bußgeldern stützen, da eine solche als sittenwidrig anzusehen sei. Demgegenüber könne der Kläger sein Begehren erfolgreich auf den Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB stützen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seien diese Voraussetzungen erfüllt, wenn der Arbeitgeber den Fahrer in sittenwidriger Weise unter Druck setze, die Lenk- und Ruhezeiten bzw. son...