Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristlose Kündigung. Manipulation eines Fahrtenschreibers. Abmahnung. Interessenabwägung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Manipulation eines Fahrtenschreibers durch den als Kraftfahrer beschäftigten Arbeitnehmer stellt einen schweren Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten dar, der an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.
2. Im Rahmen der umfassenden Interessabwägung überwiegt das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers nicht deshalb, weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Aufhebungsvereinbarung mit einer Auslauffrist von ungefähr 3 Wochen angeboten hat.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Urteil vom 07.02.2003) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 07.02.2003 1 (3) Ca 2045/02 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung.
Der am 22.01.13xx geborene, verheiratete Kläger, Vater dreier Kinder, war seit dem 01.03.1983 als Kraftfahrer bei der Beklagten gegen einen Bruttomonatslohn von zuletzt ca. 3.000,00 EUR beschäftigt. Bei der Beklagten sind regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten tätig.
Am 06.08.2002 nahm der Kläger um 4.27 Uhr seine Fahrtätigkeit auf und legte entsprechend eine Tachoscheibe in das Zeiterfassungsgerät des von ihm geführten LKW. Gegen 16.00 Uhr informierte er den zuständigen Disponenten der Beklagten telefonisch darüber, dass er die Tour im Hinblick auf die bereits geleisteten Lenkzeiten unterbrechen müsse und erst am Folgetag gegen 10.00 Uhr wieder auf dem Betriebsgelände der Beklagten eintreffen werde.
Nach einem Ladevorgang in der Zeit von 15.40 Uhr bis 16.30 Uhr in S4xxxxxx befand der Kläger sich gegen 18.30 Uhr im Raum M3xxxx. Nach einer Pause in der Zeit von 18.10 Uhr bis 18.25 Uhr entschloss der Kläger sich, zu seinem Wohnort B2xxx-R5xxxxxxxxx zurückzufahren. Um bei einer Fahrzeugkontrolle nicht aufzufallen, nahm er gegen 18.30 Uhr die Tachoscheibe vom 06.08.2002 aus dem Zeiterfassungsgerät, legte eine neue mit dem 07.08.2002 beschriftete Scheibe ein und drehte die Tachografenuhr um ca. 12 Stunden auf 6.45 Uhr zurück. Anschließend setzte der Kläger die Fahrt mit dem LKW zu seinem Wohnort fort. Gegen 21.00 Uhr traf der Kläger bei seiner Wohnung ein und übernachtete dort. Am nächsten Morgen stellte der Kläger die Tachografenuhr in seinem LKW um ca. 12 Stunden vor und fuhr mit der tags zuvor eingelegten Scheibe vom 07.08.2002 zum Betriebssitz der Beklagten, den er gegen 10.00 Uhr erreichte.
Mit Schreiben vom 09.08.2002, das dem Kläger am selben Tage ausgehändigt wurde, erteilte die Beklagte ihm eine Abmahnung. Wegen der Einzelheiten des Abmahnungsschreibens wird auf Bl. 35 f. d.A. Bezug genommen.
Am 17./18.08.2002 legte der Kläger der Beklagten den Wochenbericht für die Zeit vom 05.08. bis zum 09.08.2002 vor. Wegen der Einzelheiten des Wochenberichts wird auf Bl. 37 f. d.A. verwiesen. Der Wochenbericht, der auch der Spesenberechnung dient, wurde nach dem Sachvortrag der Beklagten am 22.08.2002 von der zuständigen Sachbearbeiterin überprüft. Am 26.08.2002 führte der Kläger ein Telefongespräch mit der Zeugin H2xxxxxx, in dem es unter anderem um die Spesen für den 06./07.08.2002 ging. In der Folge ließ die Beklagte die vom Kläger vorgelegten Tachoscheiben für den 06.08. und 07.08.2002 durch die Firma M4xxxxxxxx-K2xxxxx untersuchen. Am 27.08.2002 teilte die Firma M4xxxxxxxx-K2xxxxx der Beklagten telefonisch mit, der Fahrtenschreiber im LKW des Klägers sei recht geschickt mit hoher Professionalität und Routine manipuliert worden. Wegen der Einzelheiten der Diagrammscheiben/Auswertung wird auf das Schreiben der Firma K2xxxxx-R6xxxxxx vom 17.09.2002 (Bl. 77 f. d.A.) verwiesen.
Am 28.08.2002 hörte die Beklagte den Kläger zu dem Vorwurf an, das Tachogerät manipuliert zu haben. Gleichzeitig wurde ihm ein versuchter Spesenbetrug vorgehalten. Mit Schreiben vom 28.08.2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis dem Kläger gegenüber fristlos, hilfsweise fristgerecht. Hiergegen erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 17.09.2002, der am 18.09.2002 beim Arbeitsgericht Hamm einging, Kündigungsschutzklage.
Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte sei durch die von ihm vorgenommene Manipulation nicht belastet worden. Eine Durchfallerkrankung habe ihn in eine derartige Bedrängnis gebracht, dass er schnellstens mit dem LKW nach Hause habe kommen wollen. Einen Arzt habe er allerdings am nächsten Tage nicht aufgesucht. Die Manipulation des Tachogerätes habe den hilflosen Versuch dargestellt, sich gegen eine Kontrolle abzusichern.
Bei der Interessenabwägung habe die Beklagte weder seine lange beanstandungsfreie Beschäftigungszeit beachtet, noch berücksichtigt, dass keiner der Fahrer den Vorschriften über Lenk- und Ruhezeiten habe gerecht werden können. Urlaubsscheine s...