Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss von Tariferhöhungen durch Firmentarifvertrag bei arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf “die jeweils geltenden Tarifverträge des Einzelhandels„

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf “die jeweils geltenden Tarifverträge des Einzelhandels und die Gesamtbetriebsvereinbarungen bzw. die Betriebsvereinbarungen in der jeweils gültigen Fassung„ erfasst typischerweise alle fachlich und betrieblich einschlägigen Tarifverträge und damit auch Firmen-/Haustarifverträge.

2. Tarifverträge für eine bestimmte Branche sind nicht nur Flächentarifverträge, die von ihrem Geltungsbereich her alle Unternehmen dieser Branche erfassen, sondern auch solche, die Einschränkungen im Hinblick auf den sachlichen, personellen oder örtlichen Geltungsbereich beinhalten. Zu diesen gehört insbesondere ein von der Arbeitgeberin abgeschlossener Firmentarifvertrag (“Zukunftstarifvertrag„ mit Ausschluss von Tariferhöhungen).

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 305, 611a; TVG § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamm (Entscheidung vom 28.03.2017; Aktenzeichen 1 Ca 1900/16)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 28.03.2017 - 1 Ca 1900/16 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, eine Tariflohnerhöhung an die Klägerin weiterzugeben.

Die 1970 geborene Klägerin ist seit dem 01.02.1992 als Teamleiterin Food beschäftigt. Eingesetzt ist sie im S Warenhaus in I. Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di.

In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 11.07.2005 (Bl 52 - 54 d.A.) heißt es unter Ziffer 2:

"Auf das Arbeitsverhältnis finden die jeweils geltenden Tarifverträge des Einzelhandels und die Gesamtbetriebsvereinbarungen bzw. die Betriebsvereinbarungen in der jeweils gültigen Fassung Anwendung."

Hinsichtlich der Vergütung heißt es in dem Arbeitsvertrag unter Ziffer 4:

"Die Mitarbeiterin erhält ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von EUR.

Tarifentgelt:

2.921,00 EUR

Tarifgruppe:

G III c Im 06 Berufs/Tätigkeitsjahr

anrechenbare Zulage:

52,00 EUR

Differenzzulage:

324,00 EUR

(aus Sozialplan vom 19.10.1999)

Gesamt:

3.297,00 EUR"

Nachdem die Beklagte zunächst ordentliches Mitglied in Handelsverbänden, auch im Einzelhandelsverband NRW, war, kündigte sie ihre Mitgliedschaften im Juni 2015 und war seit dem 17.06.2015 lediglich Mitglied ohne Tarifbindung.

Unter dem 29.07.2016 schloss die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di einen Zukunftstarifvertrag (Bl 55 - 60 d.A.).

In diesem heißt es unter anderem:

"§ 2

Anerkennung der Tarifverträge des Einzelhandels

(1) Alle gültigen (einschließlich nachwirkenden) regionalen Tarifverträge des Einzelhandels werden von S anerkannt. Diese Tarifverträge gelten dynamisch, also für den jeweiligen räumlichen Geltungsbereich in ihrer jeweiligen Fassung und mit ihrem jeweiligen Rechtsstatus.

(2) Ausnahmen von der Anerkennung nach Abs. 1 sind in diesem Tarifvertrag abschließend vereinbart.

(3) Werden Tarifverträge oder Teile von ihnen gekündigt, gelten sie auch zwischen den Parteien dieses Anerkennungstarifvertrages als gekündigt.

§ 3

Ausnahmen von der Geltung der Flächentarifverträge

(1) Die Parteien vereinbaren folgende Abweichungen von den Regelungen in den Flächentarifverträgen:

1. Die Tarifentgelterhöhungen werden für die Jahre 2015, 2016, 2017 nicht gezahlt.

2. Für die Kalenderjahre 2017 bis einschließlich 2019 werden die aus den tariflichen Bestimmungen entstehenden Ansprüche auf Zahlung von Urlaubsgeld befristet reduziert auf 40%. Die Berechnung des Anspruchs erfolgt auf der Basis der jeweiligen Entgelttabellen der Flächentarifverträge.

3. Für die Kalenderjahre 2016 bis einschließlich 2018 werden die aus den tariflichen Bestimmungen entstehenden Ansprüche auf Zahlung einer tariflichen Sonderzuwendung ("Weihnachtsgeld") befristet reduziert auf 40%; im Kalenderjahr 2019 wird die tarifliche Sonderzuwendung auf 70% reduziert. Die Berechnung des Anspruchs erfolgt auf der Basis des individuell dem anspruchsberechtigten Arbeitnehmer zustehenden Tarifentgelts.

...

§ 4

Zahlung einer zusätzlichen Sonderzahlung an nachgewiesene ver.di Mitglieder

(1) S verpflichtet sich gegenüber ver.di Mitgliedern der Gewerkschaft ver.di, die ihre Mitgliedschaft nachweisen, mit der Februarabrechnung der Jahre 2017, bis 2020 eine zusätzliche Sonderzahlung zu leisten. Diese Zahlung beträgt für das Jahr 2016 (zahlbar im Februar 2017) 1,0 % des jeweiligen individuellen Bruttojahresverdienstes. Für die Jahre 2017, 2018 und 2019 beträgt die zusätzliche Sonderzahlung für ver.di-Mitglieder (zahlbar jeweils im Februar des Folgejahres) 1,5% des jeweiligen individuellen Bruttojahresverdienstes. Der Bruttojahresverdienst wird berechnet auf der Basis des Gesamtbruttojahresverdienstes in dem vor dem Auszahlungsmonat abgelaufenen Kalenderjahr (dokumentiert auf dem Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung). Arbeitnehmer/innen, die in diesem Referenzzeitra...

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