Entscheidungsstichwort (Thema)

Freiwilligkeitsvorbehalt. Widerrufsvorbehalt. Herausgabepflicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt führt in vorformulierten Arbeitsbedingungen zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel, ohne dass zu prüfen ist, ob die Regelung als Widerrufsvorbehalt aufrecht erhalten werden kann (im Anschluss an LAG Hamm, Urteil vom 27.07.2005, – 6 Sa 29/05 –; offen gelassen BAG, 08.12.2010, – 10 AZR 671/09 –)

2. Der Herausgabeanspruch nach § 21 a Abs. 7 S. 3 ArbZG ist jedenfalls in den Fällen auf die dem Verlangen vorhergehenden 2 Jahre begrenzt, in denen sich der Arbeitgeber darauf beruft, frühere Arbeitszeitnachweise entsprechend § 21 a Abs. 7 S 2 ArbZG nicht mehr zu besitzen.

 

Normenkette

BGB § 305; ArbZG § 21a Abs. 7 S. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Siegen (Urteil vom 10.03.2011; Aktenzeichen 1 Ca 1463/10)

ArbG Siegen (Aktenzeichen 1 Ca 1339/11)

 

Nachgehend

BAG (Aktenzeichen 9 AZR 995/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 10.03.2011, 1 Ca 1463/10, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und der Tenor zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die Arbeitszeitnachweise für den Zeitraum 10.10.2008 bis einschließlich 30.06.2010 herauszugeben.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.250,88 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.06.2010 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 120,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.06.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des 1. Rechtszugs tragen der Kläger zu 42 % und die Beklagte zu 58 %.

Die Kosten des 2. Rechtszugs tragen der Kläger zu 76 % und die Beklagte zu 24 %.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Herausgabe von Arbeitszeitnachweisen sowie diverse Zahlungsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.

Der Kläger war in der Zeit vom 19.09.1999 bis einschließlich 30.06.2010 bei dem beklagten Transportunternehmen als Fernfahrer zu einem monatlichen Grundlohn von zuletzt 2.369,00 EUR brutto beschäftigt.

Als Anlage K1 zur Klageschrift hatte der Kläger einen schriftlichen Arbeitsvertrag nebst Anlagen vorgelegt, der jedoch nicht unterschrieben ist. Der Kläger wird jedoch ausdrücklich als Vertragspartner genannt, hinsichtlich des Arbeitsbeginns und auch der in § 4 genannten persönlichen Voraussetzungen (Führerschein) ist der Vertragsentwurf auf den Kläger zugeschnitten (vgl. Bl. 33 – 44 d.A.).

§ 10 lautet wie folgt:

„Sonderzahlungen, auf die kein gesetzlicher Anspruch besteht, und die in diesem Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich zugesichert sind, sind freiwillige Leistungen des Arbeitgebers, die jederzeit widerruflich sind. Dies gilt auch, wenn solche Zahlungen (Gratifikationen, Tantiemen, Prämien, sonstige Leistungen) wiederholt ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt sind.

Bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind Sonderzahlungen zurückzuerstatten, wenn der Mitarbeiter innerhalb der nächsten drei Monate nach Auszahlung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, es sei denn, das Arbeitsverhältnis wird arbeitgeberseitig aus betriebsbedingten Gründen gekündigt oder seitens des Mitarbeiters aus einem zur fristlosen Kündigung berechtigendem Grund gekündigt.”

§ 15 hat folgenden Wortlaut:

㤠15 Ausschlussfrist

  1. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind binnen acht Wochen nach ihrer Entstehung, im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens einen Monat nach Vertragsende schriftlich geltend zu machen.
  2. Nach Ablauf der genannten Fristen ist beiderseits die Geltendmachung dieser Ansprüche ausgeschlossen, wenn sie zuvor nicht schriftlich geltend gemacht worden sind. Ausgenommen von vorstehender Vereinbarung sind Ansprüche aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB).
  3. Auch die rechtzeitig geltend gemachten Ansprüche verfallen nach einer weiteren Frist von einem Monat, wenn sie nicht schriftlich anerkannt oder Klage hierüber eingereicht worden ist.”

III. der Anlage zum Arbeitsvertrag vom 19.09.1999 bestimmt:

„Regelung der Zuschläge für Sonntags- und Feiertagsarbeit:

1. Sonntagsarbeit

Der Zuschlag für die tatsächlich geleistete Sonntagsarbeit, der neben dem Grundgehalt gezahlt wird, beträgt 50 % des Grundgehaltes. Gleichzeitig mit der letzten Lohnerhöhung wird ein Höchstbetrag von DM 4.100,00 für die Berechnung zugrunde gelegt.

Dieser steuerfreie Betrag errechnet sie wie folgt:

Grundgehalt (später Höchstbetrag) × 3 Monate : 71,5 Tage;

Davon 50 % DM 77,62

2. Feiertagsarbeit

Der Zuschlag für die tatsächlich geleistete Feiertagsarbeit, der neben dem Grundgehalt gezahlt wird, beträgt 100 % des Grundgehaltes.

3. Arbeit an Weihnachtsfeiertagen

Der Zuschlag für die tatsächlich geleistete Arbeit an Weihnachtsfeiertagen, der neben dem Grundgehalt gezahlt wird, beträgt 100 % des Grundgehaltes.

Berechnungen der steuerfreien Zuschlage zu Punkt 2) und 3):

Grundg...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge