Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit des vollständigen Ausschlusses eines Arbeitnehmers von Sozialplanabfindungsansprüchen. Geltendmachung von Sozialplanabfindungsansprüchen in der Insolvenz des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
1. Sozialplanabfindungsansprüche können in der Insolvenz des Arbeitgebers wegen § 123 Abs. 3 S. 2 InsO nur mit eigener Feststellungsklage geltend gemacht werden. Der Übergang von der Leistungsklage zur Feststellungsklage ist auch noch in der Berufungsinstanz nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässig.
2. Der vollständige Ausschluss der Arbeitnehmer von Sozialplanabfindungsansprüchen, die das sofortige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und den Wechsel in die Beschäftigung- und Qualifizierungsgesellschaft durch den Abschluss eines dreiseitigen Vertrages abgelehnt haben, verstößt gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Sinn und Zweck der sozialen des Sozialplanes ist es nicht, dem Insolvenzverwalter die Durchführung des Insolvenzverfahrens zu erleichtern und ihm Kosten durch ein vorzeitiges Ausscheiden der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis zu ersparen, so dass diese Umstände die die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer wegen des Wechsels bzw. dessen Ablehnung sachlich nichtrechtfertigen können (so auch LAG Hamm, Urt. v. 14.05.2014 - 2 Sa 1651/13, Revision beim BAG, Az. 1 AZR 721/14).
Normenkette
ZPO § 264 Nr. 2; BetrVG §§ 75, 112; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Herford (Entscheidung vom 10.03.2015; Aktenzeichen 3 Ca 1600/12) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 10.03.2015 - 3 Ca 1600/12 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über das Bestehen eines Sozialabfindungsanspruchs die Klägerin.
Die 1957 geborene Klägerin war seit dem Jahr 1977 bei der P-Technik oHG mit Sitz in M (nachfolgend Schuldnerin genannt) angestellt.
Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 01.08.2019 (AG Bielefeld 43 IN 592/09) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte, der zunächst zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt wurde, zum Insolvenzverwalter bestellt.
Noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schloss die Schuldnerin unter dem 16./17.07.2009 mit dem bei ihr gewählten Betriebsrat mit Zustimmung des Beklagten in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter einen Sozialplan. Dieser Sozialplan wurde nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens von dem Beklagten als Insolvenzverwalter entsprechend der Regelung der Insolvenzordnung wirksam widerrufen. In der Folgezeit schloss der Beklagte unter dem 06.08.2009 mit dem im Betrieb der Schuldnerin gewählten Betriebsrat einen neuen Sozialplan, der im Wesentlichen die gleichen Regelungen enthält wie der ursprüngliche Sozialplan vom 16./17.07.2009.
Nach § 2.1 gilt dieser Sozialplan für alle Arbeitnehmer, die am 01.08.2009 in einem unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis gestanden haben, deren Arbeitsverhältnis infolge der im Interessenausgleich genannten Betriebsänderung betriebsbedingt beendet werden. Die Klägerin ist in der in Anlage 1 zu diesem Sozialplan aufgestellten Namensliste aufgeführt.
In § 4 des Sozialplanes ist die Einrichtung einer betriebsorganisatorischen eigenständigen Einheit gemäß § 216 b SGB III vereinbart. Der Eintritt in die Transfer- und Qualifizierungsgesellschaft (im Folgenden: Transfergesellschaft) konnte spätestens zum 30.08.2009 erfolgen. Nach Ziffer 4.3 des Sozialplanes sollte durch einen dreiseitigen Vertrag eine Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der Kündigungsfrist und gleichzeitig der Abschluss eines auf sechs Monate befristeten Arbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft vereinbart werden, wobei in der Transfergesellschaft eine Beschäftigung auf der Basis "Kurzarbeit 0" erfolgen sollte.
Das Sozialplanvolumen sollte nach § 5.2 ausschließlich auf diejenigen Mitarbeiter verteilt werden, die in die Transfergesellschaft eintraten. Ziffer 5 des Sozialplanes enthält folgende Regelung:
"5 Abfindung
Mitarbeiter, die in die Transfergesellschaft wechseln, erhalten mit dem Übertritt in die Transfergesellschaft einen Abfindungsanspruch unter Berücksichtigung der Regelung der Insolvenzordnung zu einem Sozialplan in der Insolvenz. Mitarbeiter, die nicht in die Transfergesellschaft eintreten, erhalten keine Abfindung.
5.1
Als Sozialplanvolumen wird gemäß § 123 InsO ein Gesamtbetrag von 2,5 Monatsverdiensten (§ 10 Abs. 3 KSchG), der aufgrund der Maßnahme in die Transfergesellschaft eintretenden Arbeitnehmer festgelegt. Das maßgebliche Sozialplanvolumen wird von dem Insolvenzverwalter errechnet und von dem Betriebsrat geprüft. Stimmt der Betriebsrat dem errechneten Sozialplanvolumen zu, ist dies bindend für alle Arbeitnehmer."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sozialplanes vom 06.08.2009 wird aufBl. 100 - 107 der Akte Bezug genommen.
In einer weiteren Liste als Anlage zum Sozialplan, die sich über die Arbeitnehm...