Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen angeblichen Arbeitszeitbetruges. Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Abrede, nach der bis zu 15 Überstunden monatlich mit dem Gehalt abgegolten sind
Leitsatz (amtlich)
Eine Klausel in einem Arbeitsvertrag, nach der 15 Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sein sollen, verstößt nicht gegen §§ 305 ff. BGB.
Bei überzahlter Arbeitsvergütung kann der Arbeitgeber nicht mit einer Bruttoforderung aufrechnen. Eine derartige Aufrechnung ist gem. § 394 S. 1 BGB unzulässig.
Leitsatz (redaktionell)
Es stellt keinen die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigenden Arbeitszeitbetrug dar, wenn ein Arbeitnehmer, nach dessen Arbeitsvertrag bis zu 15 Überstunden monatlich mit dem Gehalt abgegolten sind, in den zu erstellenden Wochenrapporten sämtliche Überstunden auflistet, und nicht nur diejenigen, die über die abgegoltenen 15 hinausgehen.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1, § 305c Abs. 1, § 307 Abs. 3 S. 2, § 394 S. 1, § 307 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Herne (Entscheidung vom 07.05.2019; Aktenzeichen 3 Ca 1754/18) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 7. Mai 2019 - 3 Ca 1754/18 - wird insoweit als unzulässig verworfen, als die Beklagte zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 327,46 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2018 verurteilt worden ist.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 7. Mai 2019 - 3 Ca 1754/18 - zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über die Wirksamkeit einer Kündigung sowie über Zahlungsansprüche.
Der 1982 geborene, verheiratete und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bei der Beklagten auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 25. Februar 2016 in der Zeit vom 1. März 2016 bis zum Ablauf des 30. September 2019 als Medizintechniker angestellt. Die Vergütung betrug 2.800,00 Euro brutto.
Gegenstand des Unternehmens der Beklagten ist der Vertrieb und die Wartung von medizintechnischen Geräten und Einrichtungen (Amtsgericht Gelsenkirchen HRB 0000).
Der Arbeitsvertrag der Parteien lautet auszugweise wie folgt:
"[...]
15. Die Arbeitszeit richtet sich nach folgenden Zeiten und nach den Erfordernissen des Betriebes: montags bis freitags jeweils 8.15 Uhr bis 16.45 Uhr. Die 40-Stunden-Woche gilt als vereinbart. In dem monatlichen Gehalt sind fünfzehn Stunden Mehrarbeit enthalten. Erforderliche Mehrarbeit wird nicht separat vergütet. Die Mehrarbeit die fünfzehn Stunden im Monat überschreitet wird über ein Zeitkonto mit dem Guthaben aus den Vormonaten verrechnet bzw. durch Freizeit abgegolten.
[...]"
Wegen des weiteren Inhalts des Arbeitsvertrags wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses dokumentierte der Kläger wöchentlich die geleistete Arbeitszeit einschließlich der geleisteten Überstunden auf durch die Beklagte zur Verfügung gestellten Formblättern, welche als "Wochenbericht" konzipiert und überschrieben waren. Diese sahen in insgesamt 20 Spalten Angaben zu Kalendertagen, Uhrzeiten, Pausen, Überstunden, Zuschlagspflichten, Arbeitszeiten, Fahrzeiten, Kilometerständen des Dienstfahrzeugs bei Fahrtbeginn und Fahrtende sowie unterschiedliche Rubriken zu gefahrenen Kilometern vor. Ferner konnten darin Kunden benannt sowie Angaben zu Fahrtkosten, Tagegeldern, Übernachtungskosten und sonstigen Kosten bis hin zu Gesamtkosten eingetragen werden. In einer Schlusszeile fand sich u.a. die Rubrik "Abzufeiern Überst." Der Kläger summierte während des gesamten Bestands des Arbeitsverhältnisses die geleisteten Überstunden vollständig sowie rechnerisch zutreffend auf und vermerkte diese in den Formblättern unter der vorgegebenen Rubrik "Abzufeiern Überst." Abzüge aufgrund der arbeitsvertraglichen Regelung, wonach monatlich 15 Überstunden mit der Bruttomonatsvergütung abgegolten sein sollten, machte der Kläger lediglich in der ersten und dritten Woche seiner Anstellung im März 2016 in den Aufzeichnungen gesondert kenntlich, indem er die insgesamt angefallenen Stunden in Klammern setzte und davor ohne Klammerzusatz eine Null notierte. Die Eintragungen des Klägers wurden während des gesamten Bestands des Arbeitsverhältnisses durch eine zuständige Arbeitnehmerin der Beklagten auf rechnerische Richtigkeit überprüft und in ein Arbeitszeitkonto eingepflegt. Zudem nahm die Arbeitnehmerin sporadisch Abgleiche vor, ob der Kläger die aufgrund Arbeitsvertrags mit der monatlichen Vergütung abgegoltenen 15 Überstunden im Rahmen seiner Aufzeichnungen und Berechnungen berücksichtigt hatte. Die Beklagte monierte während der gesamten Dauer der Anstellung des Klägers die Aufzeichnungen einschließlich des weitestgehend unterbliebenen Abzugs von monatlich 15 Überstunden nicht. Der Geschäftsführer genehmigte die Aufzeichnungen ...