Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung. Polizei. Verletzung: Datenschutzbestimmungen. Recherche. Privatrecherche. Zustimmung. Schwerbehindertenvertretung. Mitglied. Vertreter. Außerordentliche Kündigung eines IT-Administrators. Nutzung behördlicher Daten für private Zwecke. Kündigungsschutz eines stellvertretenden Mitglieds der Schwerbehindertenvertretung

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein stellvertretendes Mitglied der Schwerbehindertenvertretung hat "nur" während der Vertretungszeiten die gleiche Rechtsstellung wie die Vertrauensperson. Nutzt ein IT-Administrator dar sensible Daten persönlich, kann dies eine fristlose außerordentliche Kündigung rechtfertigen.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1; SGB IX § 96 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamm (Entscheidung vom 02.11.2012; Aktenzeichen 2 Ca 1393/12)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 02.11.2012 - 2 Ca 1393/12 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten zweitinstanzlich (noch) um die Wirksamkeit zweier außerordentlicher Kündigungen.

Der am 19.11.1972 geborene, seit Ende Oktober 2011 geschiedene Kläger hat drei Kinder. Er trat mit Wirkung ab 01.03.2006 in die Dienste des beklagten Landes und arbeitete zuletzt zu einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung i.H.v. 3.200,00 € als IT-Administrator und IUK-Mitarbeiter bei der Kreispolizeibehörde S1. Der Kläger ist schwerbehindert und war zuletzt stellvertretendes Mitglied der Schwerbehindertenvertretung.

Zu Arbeitsbeginn verpflichtete er sich schriftlich zur Beachtung der einschlägigen Datenschutzbestimmungen (Bl. 93 d.A.). Mit Schreiben vom 19.11.2007 wurde er dann über den Umgang mit administrativen Berechtigungen gesondert belehrt. Hinsichtlich des genauen Inhalts des Schreibens wird verwiesen auf die mit Beklagtenschriftsatz vom 12.09.2002 eingereichte Kopie (Bl. 94 d.A.).

Im Februar 2010 trennte sich der Kläger von seiner Ehefrau. In der Folgezeit kam es zwischen den Eheleuten zu Streitigkeiten, weil die am 02.07.2009 geborene Tochter zunächst beim Kläger verblieben war.

Am 30.04.2010 recherchierte der Kläger im dienstlichen Suchsystem Findus nach Erkenntnissen über den Onkel seiner Ehefrau, B1. Am 11.06.2010 führte er über diese Person eine weitere Recherche durch, und zwar jetzt über das Suchsystem Polas.

Über 1 1/2 Jahre später stellte der Kläger dann am 29.12.2011 gegen seine ehemalige Ehefrau bei der Staatsanwaltschaft Arnsberg u.a. einen "Strafantrag" wegen "Erpressung" (Az.: 361 Js 91/12). Darin führte er u.a. aus:

"Während der Trennungsphase 2010 wurde dem AES (= Kläger) bekannt, dass die Mutter seiner Nochehefrau den Bruder Herrn B1 zur Haftentziehung verholfen hat und ihm nun im Ausland auf Haiti mit Geld und technischen Geräten, wie Handy versorgt.

Der Gesuchte wird lt. Polizeiauskunft als äußerst gewalttätig und bewaffnet beschrieben. Er soll Anführer einer Gruppe von Straftätern sein...".

Daraufhin wurde von der Staatsanwaltschaft Arnsberg (Az.: 272 Js 203/12) gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen eingeleitet, weil er unbefugt Daten von Herrn B1 abgefragt und in seiner Anzeige vom 29.12.2011 offenbart habe. Das Verfahren wurde mittlerweile nach § 153 a StPO gegen Zahlung eines Geldbetrages i.H.v. 600 € eingestellt.

Das beklagte Land erlangte erstmals am 21.06.2012 im Zuge der Einsichtnahme in die genannte Ermittlungsakte Kenntnis von dem Sachverhalt.

Am 26.06.2012 beantragte es beim zuständigen Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung. Die Zustimmung wurde am 10.07.2012 erteilt und vom Kläger nicht angegriffen.

Ebenfalls am 26.06.2012 hörte das beklagte Land den Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung zur Absicht, eine außerordentliche Kündigung auszusprechen, an (Bl. 148 ff., 154 ff. d.A.). In beiden Fällen wurde ausweislich der Schreiben vom 28.06.2012 keine Zustimmung erteilt (Bl. 583 ff. d.A.).

Am Vormittag des 10.07.2012 war die Vertrauensperson der Schwerbehinderten, G1, nicht im Dienst, weil er als Mandatsträger der Gemeinde S2 Aufgaben wahrzunehmen hatte. Für ihn nahm der Kläger an der Sitzung des Personalrats teil.

Am Nachmittag dieses Tages um 14.35 Uhr ging dann dem Kläger das Kündigungsschreiben vom 10.07.2012 zu.

Im weiteren Verlauf der Ermittlungen erlangte das beklagte Land Kenntnis darüber, dass der Kläger in einer Vielzahl weiterer Fälle über Polas und andere Programme Abfragen z.B. zu Herrn B1 und seiner vormaligen Ehefrau vorgenommen hatte. Im Zuge einer Anhörung erklärte dazu der Kläger mit Schreiben vom 18.07.2012 (Bl. 136 f. d.A.), es habe sich dabei um bloße Testabfragen gehandelt, wobei er in zulässiger Weise auch Rückgriff genommen habe auf Personen im engsten familiären Umkreis.

Daraufhin holte das beklagte Land bei der Direktion Kriminalität - KK2 - und bei seinem Mitarbeiter M1 Stellungnahmen ein (Bl. 141 ff.d.A.).

Anschließend beteiligte das beklagte Lan...

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