Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines Arbeitnehmers auf Erfüllung des arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruchs nach Erlangung eines rechtskräftigen Beschlusses über die Aufhebung der Einstellung durch den Betriebsrat. Pflicht des Arbeitgebers zur Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens
Leitsatz (amtlich)
1. Einem arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers steht ein überwiegenden Interesses des Arbeitgebers entgegen, wenn ein betriebsverfassungsrechtliches Beschäftigungsverbot besteht, weil der Betriebsrat einen rechtskräftigen Beschluss über die Aufhebung der Einstellung des Arbeitnehmers nach § 101 BetrVG erlangt hat.
2. Der Arbeitgeber kann nach dem Grundsatz von Treu und Glauben aufgrund seiner vertraglichen Rücksichtnahmepflicht zur Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG verpflichtet sein (§ 241 Abs. 2, § 242 BGB).
3. Eine solche Verpflichtung besteht, wenn sich eine Zustimmungspflichtigkeit zur Einstellung oder Versetzung des Arbeitnehmers im bestehenden und tatsächlich vollzogenen Arbeitsverhältnis im Nachhinein ergibt, weil der Arbeitgeber diese Frage von vornherein falsch beurteilt oder durch einseitige Maßnahmen im laufenden Arbeitsverhältnis die Zustimmungspflichtigkeit herbeigeführt hat, eine dauerhafte Beschäftigungslosigkeit droht und der Arbeitnehmer über eigene Rechtsschutzmöglichkeiten zur Durchsetzung der Beschäftigung nicht verfügt.
4. Der Arbeitnehmer besitzt keinen Anspruch, im Rahmen des von dem Arbeitgeber durchzuführenden Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG von diesem regelmäßig informiert und intern durch die Möglichkeit einer Stellungnahme beteiligt zu werden.
Normenkette
GG Art. 1; BetrVG § 99; GG Art. 2 Abs. 1; BGB § 241 Abs. 2, §§ 242, 611, 613
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 08.05.2014; Aktenzeichen 3 Ca 5453/13) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 8. Mai 2014 (3 Ca 5433/14) teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, bezüglich des Zustimmungsersuchens vom 20. November 2013 das Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG durchzuführen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 2/3, die Beklagte zu 1/3.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Beschäftigung, hilfsweise auf Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens sowie daran anknüpfend auf Information und interne Beteiligung des Klägers durch die Beklagte.
Der 1959 geborene Kläger, der verheiratet ist und ein Kind hat, ist seit Januar 1999 bei der Beklagten beschäftigt. Laut "Anstellungsvertrag" vom 12. Januar 1999 wurde er "als außertariflicher Vertragsangestellter im Spielcasino C als Bereichsleiter 'Klassisches Spiel' zum 16.01.1999" eingestellt. Als solcher wurde er tatsächlich eingesetzt. Nach dem nunmehr gültigen "Anstellungsvertrag" vom 15. Januar 2000 ist er "als außertariflicher Vertragsangestellter" angestellt. Die Tätigkeit des Klägers und der konkrete Arbeitsort sind nicht mehr im Vertrag aufgeführt. Zudem sieht der Vertrag in Nr. 1 Abs. 2 ein zuvor nicht bestehendes Versetzungsrecht bezüglich des Arbeitsortes vor. Die Beschäftigung des Klägers blieb nach Abschluss des neuen Arbeitsvertrags zunächst unverändert.
Bei der Einstellung des Klägers galt das Orga-Handbuch vom 1. Januar 1998. Die Organisationsstruktur für das Casino C sah danach unter dem Spielbankdirektor drei Bereichsleiter für die Bereiche "Klassisches Spiel", "Automatenspiel" und "Gästeservice/Marketing" vor. Im Aufgabenkreis "Personaleinsatz und Personalentwicklung" war dem Bereichsleiter "Klassisches Spiel" die Verantwortung für den Personaleinsatz (Mitarbeiterdisposition, Vertretung, Urlaubsplanung, Genehmigung von Urlaub und Dienstreisen) zugewiesen. Er war an der Personalplanung und -beschaffung, der innerbetrieblichen Ausbildung und den Personalbeurteilungen aktiv beteiligt. Im Rahmen des Stellenplans konnte er für seinen Bereich Mitarbeiter einstellen und entlassen. Er hatte volle Entscheidungsfreiheit im Rahmen der Budgetgrenzen und der Unterschriftenregelungen und übernahm sämtliche Führungsaufgaben in seinem Bereich.
Zum 1. September 2008 wurde der Kläger im gegenseitigen Einvernehmen in das Casino E versetzt und übte dort die Position des Bereichsleiters "Klassisches Spiel" gegen eine Jahresgrundvergütung von zuletzt 100.000,00 Euro brutto aus. Die dortige Organisationsstruktur sah ausweislich des Orga-Handbuches 1998 (Nr. 1.3., Seite 6) vier Bereichsleiter vor: "Klassisches Spiel", "Automatenspiel", "Gästeservice/Marketing" sowie "Personal/Administration". Der zuletzt genannte Bereichsleiter war federführend für die Personalführung zuständig. Unter Nr. 2.4 des Orga-Handbuchs 1998 (Seite 10) war geregelt, das für die Verhandlung mit den Betriebsräten der Spielbanken über Probleme, die keinen fachübergr...