Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an eine Betriebsvereinbarung zur Einführung der Kurzarbeit
Leitsatz (amtlich)
1. Durch eine Betriebsvereinbarung zur Einführung der Kurzarbeit kann die vertraglich festgelegte Arbeitszeit eines Arbeitnehmers nur dann ohne dessen Zustimmung herabgesetzt werden, wenn in der Betriebsvereinbarung selbst festgelegt ist, in welchem konkreten Zeitraum für welche betroffenen Arbeitnehmer in welchem konkreten Umfang die Arbeit wegen Kurzarbeit ausfallen soll (Gebot der Normenklarheit). In der Betriebsvereinbarung müssen Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Lage und Verteilung der Arbeitszeit, die Auswahl der von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer oder die betroffene Abteilung sowie die Zeiträume, in denen die Arbeit ganz ausfallen soll, festgelegt sein (so bereits LAG Hamm 01.08.2012 - 5 Sa 27/12 -).
2. Im zu entscheidenden Fall setzte der Anspruch auf Annahmeverzugsentgelt wegen unwirksam verfügter Kurzarbeit ein wörtliches Angebot der Arbeitsleistung voraus. Ob ein Angebot nach § 296 BGB entbehrlich ist, wenn der Arbeitgeber durchgängig "Kurzarbeit Null" anordnet, konnte dahingestellt bleiben, weil der Arbeitgeber hier lediglich von einem vermeintlichen Recht Gebrauch gemacht hatte, die Arbeitszeitdauer flexibel zu bestimmen, und jeweils nur für einen Teil der monatlich anfallenden Arbeitsstunden Kurzarbeit angeordnet hatte - weshalb nach § 295 BGB ein wörtliches Angebot erforderlich war (vgl. BAG 25.04.2007 - 5 AZR 504/06 - AP BGB § 615 Nr. 121 Rn. 19)
Normenkette
BetrVG § 87; BGB § 296; BetrVG § 77; BGB §§ 615, 293, 295
Verfahrensgang
ArbG Herford (Entscheidung vom 31.10.2013; Aktenzeichen 3 Ca 1287/12) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des ArbG Herford vom 31.10.2013 - 3 Ca 1287/12 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger
- für den Monat Oktober 2011 weitere 731,10 € brutto abzüglich gezahlter 256,23 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.11.2011 zu zahlen,
- für den Monat November 2011 weitere 1.613,39 € brutto abzüglich gezahlter 566,70 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2011 zu zahlen,
- für den Monat Dezember 2011 weitere 1.613,39 € brutto abzüglich gezahlter 566,70 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.01.2012 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 47 %, die Beklagte trägt 53 % der Kosten des Rechtsstreits.
Für beide Parteien wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten, ob der Kläger für die Monate März 2011 bis Dezember 2011 trotz arbeitgeberseits angeordneter Kurzarbeit das ungekürzte Arbeitsentgelt beanspruchen kann.
Der Kläger steht seit 1988 in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten. Bei der Beklagten ist ein Betriebsrat gewählt. Der Betriebsratsvorsitzende und die Beklagte unterzeichneten unter dem 07.03.2011 eine "Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit" (im Folgenden "BV Kurzarbeit"). Streitig ist, ob der Abschluss der Betriebsvereinbarung durch einen wirksamen Beschluss des Betriebsrats gedeckt ist. In der BV Kurzarbeit heißt es u.a.:
"§ 1 Beginn und Dauer
In der Zeit vom 11.03.2011 bis zum 31.12.2011 wird Kurzarbeit im ganzen Betrieb eingeführt.
§ 2 Geltungsbereich
Die Betriebsvereinbarung gilt für alle Beschäftigten im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes. Von der Kurzarbeit ausgenommen werden:
1. Auszubildende und Studierende in dualen Studiengängen
2. Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis während des Kurzarbeitszeitraums aufgrund Kündigung oder Aufhebungsvertrag endet
3. Schwangere Frauen und werdende Väter, die Elterngeld in Anspruch nehmen werden, und bei denen der Bezug von Kurzarbeitergeld in den Bemessungszeitraum des Elterngeldes gem. § 2 BEEG fallen wird
4. Geringfügige Beschäftigte
5. Arbeitnehmer, bei denen die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld nicht vorliegen (vergleiche § 172 SGB III).
6. Die Beschäftigten, die von der Geschäftsführung aufgrund ihrer Aufgabenstellung ausgenommen werden müssen.
§ 3 Ausfallzeiten
1. Die Kurzarbeit erfolgt flexibel und wird an den Arbeitsanfall in den jeweiligen Arbeitsbereichen angepasst. Die Planung erfolgt in den Abteilungen mit dem Vorgesetzten.
2. Die Kurzarbeitertage der Mitarbeiter werden von den Vorgesetzten in die Urlaubsplanungsdatei mindestens eine Woche im Voraus eingetragen, so dass Geschäftsleitung und Betriebsrat zeitnah Einsicht nehmen können."
Wegen des vollständigen Wortlauts der BV Kurzarbeit wird auf die Anlage K 1 zur Klageschrift Bezug genommen (Bl. 4 - 6 GA). Eine einzelvertragliche Abrede zu Durchführung von Kurzarbeit wurde mit dem Kläger nicht getroffen. In der Zeit vom 11.03.2011 bis zum 31.12.2011 wurde bei der Beklagten während eines Tei...