Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Anordnung von Kurzarbeit. Anforderungen an eine Betriebsvereinbarung. Anspruch auf Annahmeverzugsentgelt wegen unwirksamer Anordnung von Kurzarbeit gegenüber einem Arbeitnehmer
Leitsatz (amtlich)
1. Die wirksame Anordnung von Kurzarbeit auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung setzt voraus, dass in dieser selbst und nicht in einer ergänzend getroffenen Regelungsabrede Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Lage und Verteilung der Arbeitszeit, die Auswahl der von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer oder die betroffene Abteilung sowie die Zeiträume, in denen die Arbeit ausfallen soll, festgelegt sind (im Anschluss an LAG Hamm, Urteil vom 01.08.2012 - 5 Sa 27/12 und Urteil vom 12.06.2014 - 11 Sa 1566/13).
2. Wurde gegenüber einem Arbeitnehmer nicht wirksam Kurzarbeit angeordnet, setzt ein Anspruch auf Annahmeverzugsentgelt zumindest ein wörtliches Angebot der Arbeitsleistung voraus (im Anschluss an LAG Hamm, Urteil vom 12.06.2014 - 11 Sa 1566/13; gegen BAG, Urteil vom 27.01.1994 - 6 AZR 541/93).
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 4; BGB § 615 S. 1, §§ 294, 295 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Paderborn (Entscheidung vom 04.07.2014; Aktenzeichen 3 Ca 486/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 04.07.2014 - 3 Ca 486/14 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 340,41 € brutto zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Von den Kosten des Rechtstreits einschließlich des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 9/10, die Beklagte 1/10.
Die Revision wird zugunsten des Klägers zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Arbeitsentgelt.
Der Kläger war seit dem 01.08.2007 bei der Beklagten auf Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 31.07.2007, hinsichtlich dessen Einzelheiten auf ABl.4 - 8 Bezug genommen wird, als Produktionsleiter gegen ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von zuletzt 4.244,83 € beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch Kündigung des Klägers vom 25.09.2013 zum 30.11.2013.
Im Betrieb der Beklagten wurde ab Juni 2013 Kurzarbeit geleistet. Diesbezüglich vereinbarte die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung mit folgendem Wortlaut:
"Heute am 13.06.2013 wurde zwischen unserem Betriebsrat und der Geschäftsleitung vereinbart, dass aufgrund der schlechten Auftragslage ab dem Monat Juni 2013 Kurzarbeit durchzuführen ist."
Die näheren Einzelheiten wurden durch Regelungsabrede zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat festgelegt. Der Kläger nahm zunächst an der Kurzarbeit teil und bezog Kurzarbeitergeld. Im Monat Oktober 2013 fielen für ihn weitere 54,95 Stunden und im November 2013 weitere 54,20 Stunden wegen Kurzarbeit aus. Da die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 98 Abs. 1 Nr. 2 SGB III aufgrund seiner Eigenkündigung entfallen waren, erhielt er in diesen Monaten kein Kurzarbeitergeld mehr.
In der Abrechnung für den Monat November 2013 zog die Beklagte vom laufenden Monatsgehalt des Klägers 3.383,52 € brutto für 121,36 Fehlstunden unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 27,88 € ab. Die Fehlstunden setzen sich zusammen aus den nicht geleisteten Arbeitsstunden des Klägers in den Monaten Oktober und November 2013 sowie weiteren 12,21 Stunden für anderweitige Minusstunden des Klägers. Der Kläger hat sich mit Geltendmachungsschreiben vom 13.01.2014 gegen den vorgenommenen Abzug gewandt. Die Beklagte hat sich mit Anwaltsschreiben vom 17.01.2014 auf den Standpunkt gestellt, die vorgenommenen Abzüge seien berechtigt. Daraufhin hat der Kläger mit am 31.03.2014 eingegangenem Schriftsatz die vorliegende Klage erhoben.
Der Kläger hat vorgetragen, der Abzug sei unberechtigt. Sein Arbeitsvertrag sehe keine Verrechnung von Fehl- oder Überstunden vor. Auch in den Kurzarbeitsphasen habe er seine Arbeitskraft angeboten. Allerdings habe er schon kurze Zeit nach seiner Kündigung einen Anruf erhalten, wonach der Chef während der Kurzarbeit niemanden im Betrieb habe sehen wollen. Daher habe er Anspruch auf das volle Gehalt. Das von der Beklagten behauptete Gespräch mit dem Zeugen T im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Kündigung habe nicht stattgefunden. Erst am letzten Tag, bei seiner Verabschiedung, sei er damit konfrontiert worden, dass man alle Stunden, an denen er nicht gearbeitet habe, in Abzug habe bringen wollen. Dem habe er sofort widersprochen und angemerkt, dass er nicht auf irgendwelche Lohnansprüche verzichte. Es bleibe auch die Frage, warum nicht schon in der Oktober-Abrechnung ein entsprechender Abzug vorgenommen worden sei.
Die Beklagte hat vorgetragen, nach Erhalt der Kündigung des Klägers habe der Zeuge T diesem mitgeteilt, dass er nunmehr Kurzarbeitergeld nicht mehr beziehen könne und ihn in sein Büro gebeten. Der Kläger habe dort ausdrücklich erklärt, die Stunden, die er wegen der Kurzarbeit nicht leiste, könnten bei der letzten Abrechnung in Abzug gebracht w...