Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des Konkurrenzverbots gem. § 60 Abs. 1 HGB
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine kaufmännische Angestellte ist Handlungsgehilfin i.S. des § 59 HGB.
2. Als solche ist sie gem. § 60 Abs. 1 HGB verpflichtet, während der Dauer des Arbeitsverhältnisses Wettbewerbshandlungen zu unterlassen.
3. Bereits der Eintritts als Gesellschafterin in die Kapitalgesellschaft eines Wettbewerbers stellt einen Verstoß gegen das Konkurrenzverbot gem. § 60 Abs. 1 HGB dar.
4. Eine vorzeitige Aufhebung des Arbeitsverhältnisses verstößt gegen die guten Sitten, wenn der Arbeitgeber dabei im Einverständnis mit dem Arbeitnehmer eine Vereinbarung zum eigenen Vorteil oder zum Vorteil naher Angehöriger hinter dem Rücken des Geschäftsherrn und zu dessen Schaden trifft.
Normenkette
HGB §§ 59, 60 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 25.07.2019; Aktenzeichen 1 Ga 19/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des ArbG Hagen vom 25.07.2019 - 1 Ga 19/19 wie folgt abgeändert:
Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, untersagt,
bis zum 31.08.2019 für die Firma H GmbH & Co. KG,
als Prokuristin;
als Gesellschafterin der Firma H1 GmbH;
als Kommanditistin der Firma H GmbH & Co. KG
tätig zu werden.
Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Unterlassung von Wettbewerb.
Die Verfügungsklägerin ist im Bereich Spedition und Logistik tätig. Sie hat ihren Hauptsitz in C und unterhält in T eine Niederlassung. Die Verfügungsbeklagte war seit dem 01.09.2008 als Sachbearbeiterin für die Verfügungsklägerin in Teilzeit (20 Wochenstunden) beschäftigt. Ihr monatliches Bruttoentgelt betrug zuletzt 2.074,00 Euro. Arbeitsvertraglich vereinbarten die Parteien eine beiderseitige Kündigungsfrist von vier Monaten bei zehnjährigem Bestand des Arbeitsverhältnisses. Die Verfügungsbeklagte arbeitete in der T Niederlassung der Verfügungsklägerin. Leiter dieser Niederlassung und Prokurist war der Ehemann der Ehemann der Verfügungsbeklagten. Er war im Innenverhältnis zur Verfügungsklägerin verpflichtet, Beendigungen von Arbeitsverhältnissen zunächst mit der Geschäftsleitung abzustimmen.
Mit Schreiben vom 14.04.2019 kündigte die Verfügungsbeklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis "zum nächstmöglichen Termin". Bereits am 15.04.2019 unterzeichnete der Ehemann der Verfügungsbeklagten einen Aufhebungsvertrag, der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 30.04.2019 vorsah. Den Abschluss des Aufhebungsvertrages stimmte er zuvor mit dem Geschäftsführer der Verfügungsklägerin ab, der nach vorheriger Beratung seine Zustimmung zur vorgesehenen vorzeiteigen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses erteilte.
Mit notariellem Vertrag vom 07.05.2019 gründete die Verfügungsbeklagte die H GmbH & Co. KG, geschäftsansässig in T. Die Gesellschaft erbringt Dienstleistungen im Bereich Spedition und Logistik, also im Geschäftsfeld der Verfügungsklägerin, und nahm ihre operative Tätigkeit bereits im Mai 2019 gegenüber Kunden der Verfügungsklägerin auf. Die Verfügungsbeklagte ist die alleinige Gesellschafterin und der Komplementärin, der H1 GmbH, sowie Prokuristin und einzige Kommanditistin der Kommanditgesellschaft.
Der Ehemann der Verfügungsbeklagten wickelte im Mai 2019 zwei weitere Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern der Niederlassung T ab. Der Mitarbeiter T1 kündigte sein Arbeitsverhältnis am 29.04.2019 ordentlich zum 30.06.2019. Auch mit diesem Mitarbeiter schloss der Ehemann der Verfügungsklägerin, nachdem er die Zustimmung des Geschäftsführers der Verfügungsklägerin eingeholt hatte, unter dem 10.05.2019 einen Aufhebungsvertrag zum 31.05.2019 ab. Mit Schreiben vom 27.05.2019 kündigte ferner die Speditionskauffrau C ihr Arbeitsverhältnis ordentlich mit Wirkung zum 06.10.2019. Noch am selben Tag, dem 27.05.2019, schloss der Ehemann der Verfügungsklägerin mit dieser Mitarbeiterin einen Aufhebungsvertrag zum 31.05.2019, ohne allerdings in diesem Fall vorher die Zustimmung zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages einzuholen.
Mit Ausnahme einer sich im Erziehungsurlaub befindenden Arbeitnehmerin kündigten auch die restlichen Mitarbeiter der Niederlassung T mit überwiegend gleichlautendem Text jeweils mit Schreiben vom 27.05.2019 ihre Arbeitsverhältnisse. Am 29.05.2019 verlangte die Verfügungsklägerin bei den in der Niederlassung T verbliebenen Mitarbeitern die ihnen überlassenen Mobiltelefone heraus. Sämtliche Daten darauf waren gelöscht. Ebenso sind auch sämtliche Mail-Accounts bereinigt worden. Der Ehemann der Verfügungsklägerin kündigte zum 30.11.2019. Er war danach arbeitsunfähig.
Die Verfügungsklägerin stellte am 04.06.2019 fest, dass sowohl ihr ehemaliger Mitarbeiter T1 wie auch die ehemalige Mitarbeiterin C für die H GmbH & Co. KG tätig sind. Die Verfügungsklägerin forderte daraufhin die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 08.06.2019 a...