Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässiger Umfang eines Wettbewerbsverbots für Vertriebsmitarbeiter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es bleibt offen, ob es bei angestellten Vertriebsmitarbeitern grundsätzlich geboten ist, die Vorschrift des § 90a Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz HGB analog anzuwenden und die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots nur für den zugewiesenen Verkaufsbezirk oder den Kundenkreis zuzulassen. Ein weiterreichendes Tätigkeitsverbot dient jedenfalls dann dem berechtigten Interesse des Prinzipals, wenn der Außendienstmitarbeiter nicht nur durch das Ausnutzen persönlicher Kontakte in die Kundenbeziehungen einbrechen kann, sondern wenn er über die Kundenkontakte hinaus weitere Kenntnisse besitzt, an deren Verwertung bei der Konkurrenz der Prinzipal ein berechtigtes Interesse besitzt. Zu solchen Kenntnissen des Außendienstmitarbeiters zählen auch Kenntnisse über Preisspannen, Preisuntergrenzen und die Verkaufspräferenzen des Prinzipals.

2. Das schützenswerte Interesse der Verfügungsklägerin lässt sich über die Vereinbarung einer Kundenschutzklausel nicht effektiv absichern, falls der Prinzipal nicht lediglich mit einem kleinen, gleichbleibenden Kreis von Großkunden Geschäfte tätigt, sondern mit einer Vielzahl von wechselnden Kunden. Dann müsste eine Kundenschutzklausel ständig neu gefasst und an den sich verändernden Kundenstamm angepasst werden. Das wäre unpraktikabel, stets von der Zustimmung des Handlungsgehilfen abhängig und daher für den Prinzipal unzumutbar.

 

Normenkette

HGB § 74a

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Entscheidung vom 11.07.2019; Aktenzeichen 1 Ga 5/19)

 

Tenor

Die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 11.07.2019 - 1 Ga 5/19 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Verfügungsbeklagte.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche der Verfügungsklägerin auf Unterlassung von Wettbewerb.

Bei der Verfügungsklägerin handelt es sich um die deutsche Vertriebsgesellschaft einer Unternehmensgruppe. Sie handelt bundesweit insbesondere mit Befestigungsteilen und Spezialartikeln für das Bau- und Metallhandwerk sowie für das Kraftfahrzeughandwerk. Zu den Produkten gehören unter anderem auch Elektroinstallationen, Heizungszubehör und Sanitärbedarf sowie Solar-Zubehör. Der 51jährige Verfügungsbeklagte war bei der Verfügungsklägerin seit Oktober 2012 als Angestellter im Außendienst tätig. Er wohnt in E. Ihm war ein Verkaufsgebiet zugewiesen, das sich in nord-südlicher Richtung von Rahden/Petershagen bis Büren/Bad Wünnenberg und west-östlicher Richtung von Bielefeld bis Hessisch Oldendorf erstreckte. Die Parteien schlossen unter dem 25.06.2018 eine Wettbewerbsvereinbarung ab. Sie sieht unter anderem vor, dass der Verfügungsbeklagte sich verpflichtet, für die Dauer von 12 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses räumlich in einem Umkreis von 150 Kilometern vom Wohnsitz des Arbeitnehmers nicht für ein Unternehmen tätig zu sein, das mit der Verfügungsklägerin im Wettbewerb steht. Ihm wurde eine Karenzentschädigung in Höhe der Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen zugesagt. In einer Anlage zu dieser Vereinbarung wurden zahlreiche Unternehmen beispielhaft als Wettbewerbsunternehmen aufgeführt, unter anderem die Firma T.

Der Verfügungsbeklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2019. Er trat danach in die Dienste der Firma T. Ausweislich der ihm überlassenen Visitenkarte ist er für diese Firma als "Junior-Gebietsverkaufsleiter" tätig in den Bereichen Sanitär/Heizung/Klima, Elektro/Solar, Maler/Stukkateur sowie Zimmerei/Schreinerei. Nachdem diese Visitenkarte der Verfügungsklägerin zur Kenntnis gebracht wurde, forderte sie den Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 23.05.2019 unter Bezugnahme auf das vereinbarte Wettbewerbsverbot auf, Auskunft zu erteilen über das ihm als Junior-Gebietsverkaufsleiter zugewiesene Gebiet und über die von ihm ausgeübte Tätigkeit für die Firma T. Der Verfügungsbeklagte ließ die Verfügungsklägerin daraufhin wissen, er mache derzeit keine Karenzentschädigung geltend, da sein Einkommen das zuvor bei der Verfügungsklägerin erzielte Einkommen erheblich übersteige. Weitere Auskünfte erteilte er nicht.

Mit ihrem Antrag, der am 13.06.2019 bei dem Arbeitsgericht eingegangen ist, hat die Verfügungsklägerin den Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung darauf in Anspruch genommen, nicht für die Firma T tätig zu werden.

Sie hat - zusammengefasst - folgendes vorgetragen: Die Firma T sei als Konkurrenzunternehmen anzusehen. Sie biete Produkte im gleichen Bereich wie die Verfügungsklägerin an. Es bestünden erhebliche Schnittmengen. Die Zielgruppen deckten sich. Die Verfügungsklägerin habe ein berechtigtes Interesse daran, dass der Verfügungsbeklagte die Tätigkeit für die Firma T unterlasse. Der Verfügungsbeklagte sei im Hinblick auf Preisgestaltung und Angebotskalkulation bei der Verfügungsklägerin geschult worden. Er besitze Informationen über Preislisten und Preisuntergrenzen. Er verfüge über...

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