Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang und Verbindlichkeit des arbeitsvertraglichen Wettbewerbsverbots eines Außendienstmitarbeiters. Eilantrag der Arbeitgeberin auf Einhaltung des Wettbewerbsverbotes
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat ein Außendienstmitarbeiter aufgrund seiner Berufserfahrung und seiner langjährigen Tätigkeit für die Arbeitgeberin ein ausreichendes "Insiderwissen", um Rückschlüsse auf die Preiskalkulation der Arbeitgeberin ziehen zu können, ist das bei Vertragsverhandlungen im Rahmen der dort zu treffenden Preisgestaltung von erheblicher Bedeutung; solche Kenntnisse unterliegen der Geheimhaltung, insbesondere wenn die Parteien dies im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart haben und diese Vereinbarung auch einem berechtigten Interesse der Arbeitgeberin entspricht, da die Preiskalkulation einschließlich der zu gewährenden Rabatte zum Kernbereich ihres Unternehmens zählt.
2. Eine Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbotes insgesamt aufgrund einer unbilligen Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers folgt nicht aus dem Umstand, dass die Arbeitgeberin gegenüber drei Außendienstmitarbeitern auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes verzichtet hat; hierin liegt kein zur Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbotes führender Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn der darlegungspflichtige Arbeitnehmers keine Angaben dazu macht, dass die Arbeitgeberin bei ihrer Vorgehensweise eine sachgrundlose Differenzierung zwischen ihren ehemaligen Außendienstmitarbeitern vorgenommen hat und sich angesichts der räumlich unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche der ehemaligen Außendienstmitarbeiter allein aus der inhaltlich identischen Arbeitsaufgabe eine willkürliche Ungleichbehandlung nicht herleiten lässt.
3. Eine teilweise Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbotes liegt hinsichtlich der räumlichen Reichweite vor, wenn die Arbeitgeberin ein berechtigtes geschäftliches Interesse an einem auf ein Bundesland und vier angrenzende Bundesländer bezogenen Wettbewerbsverbot nicht hinreichend begründet darlegen kann und nicht erkennbar ist, inwiefern eine Tätigkeit des Arbeitnehmers außerhalb "seines" Verkaufsgebietes einem berechtigten geschäftlichen Interesse der Arbeitgeberin widerspricht.
Normenkette
HGB § 74a; BGB § 611 Abs. 1; HGB §§ 74, 74a Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Magdeburg (Entscheidung vom 19.08.2015; Aktenzeichen 3 Ga 29/15) |
Tenor
Auf die Berufung des Verfügungsbeklagten wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 19.08.2015 - 3 Ga 29/15 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Dem Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, es zu unterlassen,
in dem ihm bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses übertragenen Verkaufsgebiet (Anlage Kartenausschnitt [Bl. 88, 89 d.A.] - n) bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31.12.2015 für die Firma M, W, F Handelswaren zu vertreiben, die so oder so ähnlich auch Bestandteil des Sortiments sind, welches die Verfügungsklägerin vertreibt, oder auf andere Weise mit der Verfügungsklägerin in Konkurrenz zu treten.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
2. Dem Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft angedroht.
3. Der Verfügungsklägerin wird aufgegeben, binnen 3 Wochen das Hauptsacheverfahren beim zuständigen Arbeitsgericht anhängig zu machen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsklägerin ¾, der Verfügungsbeklagte trägt ¼.
Tatbestand
Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) begehrt von dem Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagten) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Einhaltung eines vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbotes.
Die Klägerin handelt bundesweit mit Baubeschlägen, Eisenwaren und sonstigem Zubehör für die Herstellung und den Einbau von Türen, Fenstern und Terrassenelementen.
Der 56 Jahre alte Beklagte war bei ihr als Außendienstmitarbeiter in der Niederlassung B seit dem 01.08.200 beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch Eigenkündigung des Beklagten vom 03.03.2015 zum 30.06.2015. In dem diesen Arbeitsverhältnis zugrunde liegenden Arbeitsvertrag vom 29.06.2000 (Bl. 6 - 12 d.A.) heißt es u.a.:
§ 11 Verschwiegenheitspflicht/Wettbewerbsverbot
(1) Der Mitarbeiter hat alle betrieblichen Angelegenheiten, insbesondere alle ihm während seines Arbeitsverhältnisses bei der Firma zur Kenntnis gelangenden geschäftlichen Angelegenheiten und Vorgänge, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, geheim zu halten zu diese auf keinen Fall Dritten zugänglich zu machen. Dies gilt vor allem auch für Preis- und sonstige Verkaufsunterlagen, Statistiken, Kundenlisten, usw. Diese Pflicht zur Geheimhaltung gilt auch uneingeschränkt für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
(2) Verstöße des Mitarbeiters gegen diese Verpflichtungen berechtigen die Firma zur sofortigen Auflösung des Anstellungsvertrages; ferner zur Geltendm...