Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifbindung. Verbandszugehörigkeit. Wechsel des Arbeitgebers in OT-Mitgliedschaft. Tarifautonomie. Erforderlichkeit einer klaren und eindeutigen Trennung der Befugnisse der Mitglieder mit und ohne Tarifbindung. Anforderungen an Satzung des Arbeitgeberverbandes
Leitsatz (amtlich)
Ein Arbeitgeberverband muss in seiner Satzung OT-Mitglieder von den Entscheidungen über Tarifangelegenheiten ausschließen. Hierzu gehört auch, dass in der Satzung vorgesehen ist, dass OT-Mitglieder den Verband im Außenverhältnis nicht tarifpolitisch vertreten dürfen. Die bloße Ausschließung des Stimmrechts für OT-Mitglieder in einer Satzung kann insoweit unzureichend sein und zur Unwirksamkeit des Wechsels in die OT-Mitgliedschaft führen.
Normenkette
TVG § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Rheine (Urteil vom 03.03.2010; Aktenzeichen 4 Ca 180/10) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 03.03.2010 – 4 Ca 180/10 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
62,52 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008,
12,92 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 sowie
138,16 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2008
zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht mit der vorliegenden Klage Zahlungsansprüche aus einer Tariflohnerhöhung geltend und begehrt Gehaltsdifferenzen für die Monate Mai bis Juli 2008, eine anteilige Einmalzahlung sowie die anteilige Erhöhung der tariflichen Jahressonderzahlung für das Jahr 2008.
Die am 23.09.1969 geborene Klägerin ist seit dem 01.04.1991 als Verkäuferin bei der Beklagten, die ca. 200 Einzelhandelsgeschäfte mit insgesamt ca. 7500 Arbeitnehmern betreibt, mit zuletzt 56,3 Stunden im Monat beschäftigt. Die Klägerin, die Mitglied der Gewerkschaft ver.di ist und mit der Beklagten einen schriftlichen Arbeitsvertrag vom 13.12.1990 (Bl. 9 ff. d. A.) abgeschlossen hat, war zuletzt in der Filiale H1 eingesetzt, in der ein Betriebsrat gewählt ist.
Die Beklagte ist seit langen Jahren Vollmitglied des Einzelhandelsverbandes Münsterland e.V. gewesen. Auf die Bestimmungen der Satzung des Einzelhandelsverbandes Münsterland e.V. in der Fassung ab 29.04.1991 (Bl. 69 ff. d. A.) wird Bezug genommen. Aufgrund einer Satzungsänderung vom 04.11.1999 konnten im Einzelhandelsverband Münsterland e.V. sogenannte OT-Mitgliedschaften begründet werden. Auf die Einzelheiten der Satzungsänderung (Bl. 73 d. A.) wird Bezug genommen. Die geänderte Satzungsfassung vom 04.11.1999 (Bl. 74 ff. d. A.) wurde ausweislich der Kopie des Vereinsregisterauszuges (Bl. 82 f. d. A.) am 26.11.1999 in das Vereinsregister eingetragen.
In der Satzung idF. vom 04.11.1999 heißt es auszugsweise:
„§ 3 Mitgliedschaft
[…]
2. Die Mitgliedschaft nach Abs. 1 kann als Mitgliedschaft mit Tarifbindung (T-Mitgliedschaft) oder als Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft) begründet werden.
3. Der Wechsel von einer T-Mitgliedschaft in eine OT-Mitgliedschaft und umgekehrt kann nur schriftlich unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats erklärt werden. Neu eingetretene Mitglieder bestimmen mit ihrer Beitrittserklärung, ob sie eine T- oder OT-Mitgliedschaft eingehen möchten.
[…]
§ 4 Beitritt
[…]
2. Über die Aufnahme in den Verband als T- oder OT-Mitglied und über den Wechsel von einer T- in eine OT-Mitgliedschaft und umgekehrt entscheidet der Vorstand. Die Entscheidung ist dem Antragsteller schriftlich mitzuteilen.
[…]
§ 6 Rechte und Pflichten der Mitglieder
1. Alle Mitglieder gemäß § 3.1. und 3.2. haben gleiche Rechte und Pflichten. In Tarifangelegenheiten bestehen Rechte und Pflichten allerdings nur für T-Mitglieder. OT-Mitglieder haben in diesen Angelegenheiten kein Stimmrecht. Sie unterliegen auch nicht den vom Einzelhandelsverband Münsterland e.V. oder dem Einzelhandelsverband NRW e.V. ausgehandelten Tarifverträgen (Ausnahme: Allgemeinverbindlichkeit nach § 5 Tarifvertragsgesetz). Im Übrigen haben alle Mitglieder im Rahmen der gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorschriften Anspruch darauf, vom Verband in allen Einzelhandelsfragen vertreten, beraten, und unterstützt zu werden.
[…]
§ 8 Der Vorstand
[…]
9. Der Vorstand ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Vorstandsmitglieder anwesend ist. Er entscheidet mit einfacher Mehrheit. Die Abstimmungen können auch schriftlich erfolgen, wenn alle Vorstandsmitglieder dem Verfahren zustimmen.
In Tarifangelegenheiten haben nur die Vorstandsmitglieder ein Stimmrecht, die T-Mitglied des Verbandes sind.
[…]
§ 9 Beirat
[…]
6. Beschlüsse – ausgenommen Beschlüsse über die Abberufung des Vorstandes und über Satzungsänderungen sowie über die Auflösung des Verbandes – werden mit einfacher Mehrheit der Stimmen der Ersc...