Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifbindung. Verbandszugehörigkeit. Wechsel des Arbeitgebers in OT-Mitgliedschaft. Tarifautonomie. Erforderlichkeit einer klaren und eindeutigen Trennung der Befugnisse der Mitglieder mit und ohne Tarifbindung. Anforderungen an Satzung des Arbeitgeberverbandes

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Arbeitgeberverband muss in seiner Satzung OT-Mitglieder von den Entscheidungen über Tarifangelegenheiten ausschließen. Hierzu gehört auch, dass in der Satzung vorgesehen ist, dass OT-Mitglieder den Verband im Außenverhältnis nicht tarifpolitisch vertreten dürfen. Die bloße Ausschließung des Stimmrechts für OT-Mitglieder in einer Satzung kann insoweit unzureichend sein und zur Unwirksamkeit des Wechsels in die OT-Mitgliedschaft führen.

 

Normenkette

TVG § 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Rheine (Urteil vom 12.05.2010; Aktenzeichen 1 Ca 1385/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.11.2012; Aktenzeichen 4 AZR 28/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 12.05.2010 – 1 Ca 1385/09 – abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin

43,20 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008,

77,24 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 sowie

95,55 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2008

zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht mit der vorliegenden Klage Zahlungsansprüche aus einer Tariflohnerhöhung geltend und begehrt Gehaltsdifferenzen für die Monate Mai bis Juli 2008, eine anteilige Einmalzahlung sowie die anteilige Erhöhung der tariflichen Jahressonderzahlung für das Jahr 2008.

Die Beklagte, die ca. 200 Einzelhandelsfachgeschäfte mit insgesamt ca. 7500 Arbeitnehmern betreibt, ist seit langen Jahren Vollmitglied des Einzelhandelsverbandes Münsterland e.V. gewesen. Auf die Bestimmungen der Satzung des Einzelhandelsverbandes Münsterland e.V. in der Fassung ab 29.04.1991 (Bl. 56 ff. d. A.) wird Bezug genommen. Aufgrund einer Satzungsänderung vom 04.11.1999 konnten im Einzelhandelsverband Münsterland e.V. sogenannte OT-Mitgliedschaften begründet werden. Auf die Einzelheiten der Satzungsänderung (Bl. 60 d. A.) wird Bezug genommen. Die geänderte Satzungsfassung vom 04.11.1999 (Bl. 61 ff. d. A.) wurde ausweislich der Kopie des Vereinsregisterauszuges (Bl. 69 f. d. A.) am 26.11.1999 in das Vereinsregister eingetragen.

In der Satzung idF. vom 04.11.1999 heißt es auszugsweise:

㤠3 Mitgliedschaft

[…]

2. Die Mitgliedschaft nach Abs. 1 kann als Mitgliedschaft mit Tarifbindung (T-Mitgliedschaft) oder als Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft) begründet werden.

3. Der Wechsel von einer T-Mitgliedschaft in eine OT-Mitgliedschaft und umgekehrt kann nur schriftlich unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats erklärt werden. Neu eingetretene Mitglieder bestimmen mit ihrer Beitrittserklärung, ob sie eine T- oder OT-Mitgliedschaft eingehen möchten.

[…]

§ 4 Beitritt

[…]

2. Über die Aufnahme in den Verband als T- oder OT-Mitglied und über den Wechsel von einer T- in eine OT-Mitgliedschaft und umgekehrt entscheidet der Vorstand. Die Entscheidung ist dem Antragsteller schriftlich mitzuteilen.

[…]

§ 6 Rechte und Pflichten der Mitglieder

1. Alle Mitglieder gemäß § 3.1. und 3.2. haben gleiche Rechte und Pflichten. In Tarifangelegenheiten bestehen Rechte und Pflichten allerdings nur für T-Mitglieder. OT-Mitglieder haben in diesen Angelegenheiten kein Stimmrecht. Sie unterliegen auch nicht den vom Einzelhandelsverband Münsterland e.V. oder dem Einzelhandelsverband NRW e.V. ausgehandelten Tarifverträgen (Ausnahme: Allgemeinverbindlichkeit nach § 5 Tarifvertragsgesetz). Im Übrigen haben alle Mitglieder im Rahmen der gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorschriften Anspruch darauf, vom Verband in allen Einzelhandelsfragen vertreten, beraten, und unterstützt zu werden.

[…]

§ 8 Der Vorstand

[…]

9. Der Vorstand ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Vorstandsmitglieder anwesend ist. Er entscheidet mit einfacher Mehrheit. Die Abstimmungen können auch schriftlich erfolgen, wenn alle Vorstandsmit-

glieder dem Verfahren zustimmen.

In Tarifangelegenheiten haben nur die Vorstandsmitglieder ein Stimmrecht, die T-Mitglied des Verbandes sind.

[…]

§ 9 Beirat

[…]

6. Beschlüsse – ausgenommen Beschlüsse über die Abberufung des Vorstandes und über Satzungsänderungen sowie über die Auflösung des Verbandes – werden mit einfacher Mehrheit der Stimmen der Erschienen Mitglieder gefasst. Bei Stimmengleich gilt der Antrag als abgelehnt. Stimmenenthaltungen werden nicht mitgezählt. In Tarifangelegenheiten haben nur die Beiratsmitglieder ein Stimmrecht, die T-Mitglied sind. Die Beiratssitzung wird vom Vorsitzenden oder einem seiner Stellvertreter geleitet.

[…]”

Seit April 2002 fanden zwischen den Tarifvertragsparteien für den Einzelhan...

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