Leitsatz (amtlich)
Mängel der Beschlußfassung des Betriebsrats im Zuge des Anhörungsverfahrens gemäß § 102 BetrVG haben – ohne Rücksicht auf ihre Erkennbarkeit – auf die Wirksamkeit der Kündigung auch dann keinen Einfluß, wenn der Arbeitgeber vor Ablauf der gesetzlichen Äußerungsfrist kündigt, nachdem der Betriebsratsvorsitzende ihm gegenüber eine als abschließende Stellungnahme des Betriebsrats bezeichnete Erklärung abgegeben hat (Bestätigung der BAG-Rechtsprechung).
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Urteil vom 21.05.1996; Aktenzeichen 2 Ca 4960/95) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 21.05.1996 – 2 Ca 4960/95 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 51.737,00 DM festgesetzt.
Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im wesentlichen um die Wirksamkeit einer fristlosen und vorsorglichen fristgerechten Kündigung, welche die Beklagte auf den Vorwurf stützt, der im Lagerbereich in der Leergutabteilung tätige Kläger habe in erheblichem Umfang Leergut entwendet und dies bei seiner Anhörung gegenüber der Geschäftsleitung im Beisein der Betriebsratsvorsitzenden zugegeben. Der Kläger weist den erhobenen Vorwurf als unberechtigt zurück und hält die Kündigung mit Rücksicht auf Mängel des Anhörungsverfahrens gemäß § 102 BetrVG für unwirksam.
Der Kläger, geboren am 23.07.1944, ledig, war aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 31 d.A.) im Großmarktbetrieb der Beklagten zunächst als Metzger und seit dem 01.07.1992 im Lagerbereich der Leergutabteilung gegen ein monatliches Bruttoentgelt von 3.100,– DM beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages sowie kraft Allgemeinverbindlichkeit die Tarifverträge des Groß- und Außenhandels Anwendung. Die Beklagte beschäftigt in ihrer Niederlassung D. cirka 200 Mitarbeiter. Bei der Beklagten besteht ein siebenköpfiger Betriebsrat, deren Vorsitzende die im ersten Rechtszuge als Zeugin vernommene Frau H. S. ist.
Mit Schreiben vom 08.09.1995 (Bl. 10 d.A.) sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine fristlose, ersatzweise fristgerechte Kündigung zum 30.04.1996 aus. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 29.09.1995 beim Arbeitsgericht Dortmund eingegangenen Klage.
Wie unstreitig ist, hatte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zuvor mit der – im zweiten Rechtszuge vorgelegten – schriftlichen Kündigungsvoranzeige vom 08.09.1995 (Bl. 136 d.A.) um Zustimmung zur fristlosen und ersatzweise fristgerechten Kündigung gebeten. Die Betriebsratsvorsitzende S. welche an dem vorangehenden Gespräch zwischen dem Kläger und dem Geschäftsleiter der Beklagten, dem als Zeugen vernommenen Herrn K. W. teilgenommen hatte, berief hierauf sogleich eine außerordentliche Betriebsratssitzung ein. Die Einladung erfolgte in der Weise, daß die auf der Arbeitsstelle anwesenden Betriebsrats- bzw. Ersatzmitglieder mündlich angesprochen wurden. An der Betriebsratssitzung nahmen sodann die Betriebsrats- oder Ersatzmitglieder W. S. und B. ferner die Betriebsratsvorsitzende Frau S. teil. Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 08.09.1995 (Bl. 135 d.A.) stimmte der Betriebsrat der fristlosen Kündigung zu. Vor der Sitzung hatte die Betriebsratsvorsitzende S. gemeinsam mit dem Betriebsratsmitglied G. im Betriebsratsbüro noch ein Gespräch mit dem Kläger in Anwesenheit von dessen Schwester geführt, in welchem die Frage erörtert wurde, inwieweit der Kläger für sämtliche, jemals bei der Beklagten entstandene Fehlbestände verantwortlich gemacht werden könne. Nach Vorlage der Zustimmung des Betriebsrats wurde dem Kläger die schriftliche Kündigung durch den Geschäftsleiter W. überreicht.
Der Kläger hat im ersten Rechtszuge vorgetragen, mit etwaigen Fehlbeständen im Leergutlager habe er nichts zu tun. Soweit er einmal eine größere Menge Leergut bei der Firma K. abgegeben habe, habe es sich um Leergut mehrerer Bekannter gehandelt, für welche er ständig Leergut abgefahren habe. Im Gespräch vom 08.09.1995 sei ihm zwar ein entsprechender Diebstahlsvorwurf vorgehalten worden, ohne daß er jedoch ein Fehlverhalten eingeräumt habe. Vielmehr habe er sich von Anfang an dagegen gewehrt, irgendeine schriftliche Erklärung im Sinne eines Schuldeingeständnisses abzugeben.
Weiter hat der Kläger im ersten Rechtszuge die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung bestritten, seine Weiterbeschäftigung als Lagerarbeiter verlangt sowie Vergütungsansprüche für den Zeitraum September 1995 bis Februar 1996 geltend gemacht.
Der Kläger hat beantragt,
1.) festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die von der Beklagten mit Schreiben vom 08. September 1995 fristlos ausgesprochene Kündigung noch durch die mit demselben Schreiben ersatzweise fristgerecht ausgesprochene Kündigung beendet wird, sondern unverändert fortbesteht,
2.) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger weiterhin zu den vertraglich vereinbarten Bedingungen als Lagerarbei...