Revision zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Diebstahlsversuch. Außerordentliche Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Nimmt ein Arbeitnehmer unbefugt 62 Miniflaschen mit Alkoholika an sich, die nicht mehr als reguläre Ware verkauft werden können und auch schon abgeschrieben waren, so liegt gleichwohl ein versuchter Diebstahl vor.
2. Ob dieses Verhalten geeignet ist einen wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB darzustellen hängt entscheidend davon ab, ob das notwendige Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers ernsthaft erschüttert ist. War es für den Arbeitgeber letztlich ohne Belang, wie mit der nicht mehr verkäuflichen Ware verfahren wird, so liegt kein ernsthaftes Defizit bezüglich der Vertrauenswürdigkeit und Redlichkeit des Arbeitnehmers vor.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Herne (Urteil vom 21.09.2001; Aktenzeichen 1 Ca 462/01) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 21.09.2001 – 1 Ca 462/01 – abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 12.01.2001 nicht aufgelöst worden ist. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin als Verkäuferin zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin bekämpft ihre fristlose Entlassung bei der Beklagten.
Die 1942 geborene ledige Klägerin ist seit dem 20.01.1990 als Verkäuferin in der Filiale C1xxxxx-R1xxxx der Beklagten mit einer Wochenarbeitszeit von 24 Stunden beschäftigt. Ihr Gehalt betrug zuletzt 2.279,04 DM. Die Klägerin wurde mit Zustimmung des Betriebsrats am 12.01.2001 fristlos wegen Diebstahls gekündigt. Dem liegt folgender Vorfall zugrunde:
Am 11.01.2001 hatte die Klägerin in der Zeit von 6.00 Uhr bis 11.00 Uhr Frühschicht. Sie war in dem ihr angestammten Bereich, der Spirituosenabteilung, mit Aufräumungsarbeiten beschäftigt. Noch vor der Ladenöffnungszeit brachte sie eine Tragetasche gefüllt mit 62 Minifläschchen Alkoholika („Gräfs, Kümmerling, Kobold”) und zwei Rollen Küchenkrepp in die Telefonzentrale der Beklagten und deponierte sie dort. Üblicherweise werden dort auch die von den Mitarbeitern vorgenommenen Personalkäufe abgestellt.
Die in der Telefonzentrale beschäftige Mitarbeiterin J1xxxx informierte die für den Lebensmittelbereich zuständige Teamleiterin, die Zeugin W2xxx. Diese sowie der Abteilungsleiter Verwaltung/Warenwirtschaft, der Zeuge K2xxxxxx, und der Betriebsratsvorsitzende, der Zeuge D4xxxxxx, inspizierten die Tragetasche und warteten ab, was die Klägerin damit vorhatte. Als die Klägerin zum Schichtende mit der Tragetasche den Betrieb verlassen wollte, wurde sie mit dem Vorwurf des Diebstahls konfrontiert. Sie verteidigte sich mit der Behauptung, dass es sich um unverkäufliche Ware handle. Zum Zeitpunkt des Berufungstermins war die Ware nicht mehr vorhanden. In den Verkauf ist sie nicht gelangt.
Mit ihrer am 31.01.2001 vor dem Arbeitsgericht Herne erhobenen Klage hat die Klägerin die ausgesprochene fristlose Entlassung bekämpft und ist dem Diebstahlsvorwurf entgegengetreten. Die von ihr mitgenommenen Miniaturfläschchen hätten längere Zeit im Lager gestanden und stammten aus beschädigten Packungen, sodass sie nicht mehr als reguläre Ware hätten verkauft werden können. Sie seien auch schon abgeschrieben worden und für die Entsorgung in der Müllpresse vorgesehen gewesen. Ebenso seien die beiden Küchenkrepprollen, die aus einer aufgerissenen Packung stammten, nicht mehr verkäuflich gewesen, zumal sie bereits für die Aufräumungsarbeiten zum Staubwischen teilweise benutzt worden seien.
Die Klägerin hat betont, dass sie bei der Angelegenheit keineswegs heimlich vorgegangen sei, vielmehr die für die Beklagte wertlosen Gegenstände in aller Offenheit deponiert habe.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12.01.2001, zugegangen am 12.01.2001, weder fristlos noch ordentlich aufgelöst worden ist,
sowie die Beklagte zu verurteilen, sie zu unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrages als Verkäuferin in der 24-Stundenwoche zu einem Bruttoeinkommen von 2.279,04 DM pro Monat bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat eingeräumt, dass es sich bei den von der Klägerin zur Seite geschafften Gegenständen zwar um abgeschriebene Ware gehandelt habe. Gleichwohl sei sie – die Klägerin – nicht berechtigt gewesen, diese eigenmächtig mit nach Hause zu nehmen. Denn auch unverkäufliche Ware werde, wenn sie noch brauchbar oder genussfähig sei, gemeinnützigen karikativen Einrichtungen zur Verfügung gestellt oder für Betriebsfeste aufgehoben. Die beiden Küchenkrepprollen hätten auch ohne Weiteres im Betrieb für Säuberungsarbeiten verwandt werden können, zumal sie noch praktisch voll gewesen seien. I...