Die Revision wird für keine der Parteien zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Verschulden im Sinne des § 3 Abs. 1 EFZG. grobe Fahrlässigkeit. Verkehrsunfall
Leitsatz (redaktionell)
1. Einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt ein hoher Beweiswert zu (Anschluss an BAG, Urteil vom 26.02.2003 – 5 AZR 122/02), der nicht dadurch erschüttert wird, dass in einem polizeilichen Unfallbericht betreffend den zur Arbeitsunfähigkeit führenden Unfall, Personenschäden nicht vermerkt sind.
2. Schuldhaft im Sinne von § 3 Abs. 1 EFZG handelt ein Arbeitnehmer, der gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt. Dies ist nur bei vorsätzlichem, besonders leichtfertigem oder grob fahrlässigem Verhalten anzunehmen.
Normenkette
EFZG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Siegen (Urteil vom 28.05.2004; Aktenzeichen 3 Ca 1618/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 28.05.2004 – 3 Ca 1618/03 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.417,20 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.07.2003 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 1/10 und der Beklagten zu 9/10 auferlegt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Der am 18.01.1965 geborene Kläger war bei der Beklagten als Hausmeister tätig.
Am Freitag, dem 16.05.2003, verursache der Kläger einen Verkehrsunfall. Der Kläger befuhr mit seinem Motorrad die Bundesautobahn 45 in Fahrtrichtung Dortmund in Höhe des Hagener Kreuzes. Als der vor ihm fahrende Pkw verkehrsbedingt bremsen musste, bemerkte der Kläger dies zu spät und fuhr gegen das vorausfahrende Fahrzeug. Es entstand ein Sachschaden sowohl am Motorrad des Klägers als auch am Pkw. In der polizeilichen Unfallmitteilung ist ein etwaiger Personenschaden nicht erwähnt.
Am Montag, dem 19.05.2003, übergab der Kläger der Beklagten die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und teilte mit, dass er bei dem Unfall am Freitag, dem 16.05.2003, einen Handbruch erlitten habe, der voraussichtlich eine Arbeitsunfähigkeit von cirka 10 bis 12 Wochen nach sich ziehen würde. Die Beklagte leistete auf eine Mahnung des Klägers hin die Vergütung für den Monat Mai 2003. Für den Monat Juni 2003 verweigerte die Beklagte die Entgeltfortzahlung mit der Begründung, der Kläger habe den Motorradunfall und damit seine Arbeitsunfähigkeit selbst grob fahrlässig verschuldet.
Nach erfolgloser Geltendmachung vom 09.07.2003 mit Fristsetzung zum 12.07.2003 hat der Kläger am 16.07.2003 die vorliegende Klage erhoben.
Mit der Klage verlangt er Vergütung für den Monat Juni 2003.
Der Kläger hat behauptet, er habe sich bei dem Motorradunfall am 16.05.2003 einen Kahnbeinbruch zugezogen. Zum Zeitpunkt der polizeilichen Unfallaufnahme habe er noch keine Schmerzen verspürt, erst als er in den Abschleppwagen eingestiegen sei, habe er bemerkt, dass er in der Hand kein Gefühl gehabt habe. Er sei dann zunächst ins Krankenhaus nach Hagen gefahren, dort habe man nichts feststellen können, ihm jedoch geraten, am darauffolgenden Tag weitergehende Untersuchungen durchführen zu lassen. Am Samstag habe er sodann im Krankenhaus in Siegen eine weitergehende Röntgenaufnahme erstellen lassen, bei der sodann der Kahnbeinbruch und somit die Arbeitsunfähigkeit festgesellt worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.583,52 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2003 zu zahlen,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 102,26 EUR brutto nebst 5 % Zinsen seit dem 01.07.2003 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers bestritten. Des Weiteren hat sie die Auffassung vertreten, der Unfall sei vom Kläger grob fahrlässig verursacht worden, weil er viel zu dicht aufgefahren und mit erheblich überhöhter Geschwindigkeit aufgefahren sei.
Durch Urteil vom 28.05.2004 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Den Streitwert hat es auf 2.685,78 EUR festgesetzt.
In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der Beweiswert der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den polizeilichen Unfallbericht nicht erschüttert worden sei. Aus dem Vortrag der Beklagten lasse sich ein grober Sorgfaltspflichtverstoß des Klägers nicht feststellen.
Gegen dieses ihr am 24.06.2004 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat die Beklagte am 13.07.2004 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24.09.2004 am 21.09.2004 begründet.
Die Beklagte greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an. Sie stützt sich weit...