Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche Kündigung von Betriebsratsmitgliedern. Stilllegung einer Betriebsabteilung. Unmöglichkeit der Übernahme in andere Abteilung. Betriebsratsanhörung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Kündigung nach § 15 Abs. 5 KschG setzt voraus, dass der Arbeitgeber Tatsachen vorträgt, aus denen sich ergibt, dass eine Betriebsabteilung stillgelegt wird. Eine Betriebsabteilung ist ein räumlich und organisatorisch abgegrenzter Teil eines Betriebs, der eine personelle Einheit erfordert, dem eigene technische Betriebsmittel zur Verfügung stehen und der eigene Betriebszwecke verfolgt, die Teil eines arbeitstechnischen Zwecks des Gesamtbetriebs sind oder in einem bloßen Hilfszweck für den arbeitstechnischen Zweck des Gesamtbetriebs bestehen können.
2. Schon aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern nur bei Unmöglichkeit der Übernahme in eine andere Betriebsabteilung zulässt, ergibt sich, dass der Arbeitgeber alle Möglichkeiten ausschöpfen muss, die Kündigung zu vermeiden, ehe er zum äußersten Mittel durch Kündigung greift. Sind in dem Betrieb geeignete Arbeitsplätze vorhanden, muss der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts versuchen, einen dieser Arbeitsplätze durch Umsetzung und notfalls auch durch Kündigung freizumachen, um u.a. den mit § 15 KSchG verfolgten Schutzzweck der Kontinuität des Betriebsratsmandats dadurch zu gewährleisten, dass die personelle Zusammensetzung während der Dauer des Mandats möglichst unverändert bleibt. Erst recht muss der Arbeitgeber dem Betriebsratsmitglied freie Arbeitsplätze in anderen Betriebsabteilungen anbieten. Eine Kündigung ist frühestens dann möglich, wenn die Verhandlungen über die bestehenden Umsetzungsmöglichkeiten endgültig gescheitert sind und damit feststeht, dass eine Vermeidung der Kündigung durch Umsetzung unmöglich ist.
Normenkette
BetrVG § 102; KSchG § 15 Abs. 4-5
Verfahrensgang
ArbG Herne (Urteil vom 02.10.2007; Aktenzeichen 4 Ca 795/07) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 02.10.2007 – 4 Ca 795/07 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
Die am 05.11.1961 geborene Klägerin ist verheiratet und für ein Kind unterhaltspflichtig. Seit dem 01.08.1979 ist sie bei der Beklagten in deren Filiale in R2 in der Dekorationsabteilung als Schauwerbegestalterin zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 800,19 EUR beschäftigt.
Im Jahre 1980 wurde die Klägerin in die in der Filiale bestehende Jugendvertretung gewählt. Etwa seit 1982 wurde sie erstmals in den Betriebsrat gewählt. Seit 2005 ist sie Vorsitzende des in der Filiale R2 bestehenden Betriebsrats, der fünf Mitglieder hat.
Seit etwa Mitte 2005 befindet sich die Beklagte aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten in einer Sanierungsphase. In einem mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossenen Interessenausgleich vom 14.12.2005 (Bl. 65 ff.d.A.) wurde unter anderem festgehalten, dass die Beklagte bundesweit den Bereich Merchandising aus dem Betrieb ausgliedert und auf einen Dritten überträgt.
Im September 2006 fasste die Beklagte den Beschluss, den gesamten Merchandising-Bereich, dem bundesweit ca. 125 Arbeitskräfte zuzuordnen waren, nicht an einen Dritten zu veräußern, sondern eine eigene Firma zu gründen, die unter dem Namen S5 R4 S6 GmbH zum 01.01.2007 in das Handelsregister eingetragen wurde (Bl. 64 d.A.).
Mit Schreiben vom 23.01.2007 (Bl. 11 ff.d.A.) wurde die Klägerin darüber unterrichtet, dass der Bereich „Visual Merchandising” auf die Firma S5 R4 S6 GmbH durch Teilbetriebsübergang übergegangen sei. Gleichzeitig wurde der Klägerin ein neuer Arbeitsvertrag bei der S5 R4 S6 GmbH unter Wahrung ihres sozialen Besitzstandes mit Wirkung vom 01.03.2007 angeboten, und zwar unter Aufstockung ihrer bisherigen Arbeitszeit von 65 Stunden monatlich auf 80 Stunden monatlich (Bl. 7 ff.d.A.).
Mit Schreiben vom 21.02.2007 widersprach die Klägerin einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Firma S5 R4 S6 GmbH.
Mit Schreiben vom 08.03.2007 (Bl. 113 d.A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat daraufhin zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung der Klägerin zum 31.10.2007 wegen Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin bei der Beklagten an.
Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 13.03.2007 der beabsichtigten Kündigung unter Hinweis auf die Betriebsratstätigkeit der Klägerin und die anfallenden Reisetätigkeiten.
Mit Schreiben vom 15.03.2007 (Bl. 5 d.A.) kündigte die Beklagte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 31.10.2007.
Mit der am 26.03.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendete sich die Klägerin gegen diese Kündigung und verlangt ihre Weiterbeschäftigung.
Inzwischen schlossen die Beklagte und die Firma S5 R4 S6 GmbH am 04.09.2007 einen Dienstleistungsvertrag (Bl. 94 ff.d.A.), wonach diese mit Wirkung seit dem 01.03.2007 die im Vertrag näher beschriebenen ...