Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Sozialplans hinsichtlich der Bonusregelung für ausscheidende Arbeitnehmer
Leitsatz (amtlich)
Enthält zum einen ein Sozialplan die Regelung, dass ausscheidende Arbeitnehmer im Jahr des Ausscheidens ein Bonus "gemäß der jeweils gültigen Bonusregelung" anteilig gezahlt wird, und wird zum anderen in der diese Bonusregelung betreffenden Konzernbetriebsvereinbarung normiert, dass Mitarbeiter einen Bonus erhalten, "sofern das Unternehmen bzw. Unternehmenseinheit ... eine Bonusgewährung vorsieht", besteht kein Anspruch des ausscheidenden Arbeitnehmers, wenn aufgrund einer Entscheidung im Konzern auch im Unternehmen des Arbeitgebers kein Bonus für das Jahr des Ausscheidens gewährt werden wird.
Normenkette
BGB § 611a Abs. 2; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10, § 112
Verfahrensgang
ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 15.09.2021; Aktenzeichen 3 Ca 723/21) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 15. September 2021 (3 Ca 723/21) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger einen Jahresbonus für das Jahr seines Ausscheidens zu zahlen.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein dem A-Konzern angehöriges Unternehmen. Sie ist eine von mehreren Tochtergesellschaften der A Europa SE.
Der Kläger war bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen seit 1985 beschäftigt. Er schied auf der Grundlage eines Aufhebungsvertrages vom 31. August 2016 mit dem Ablauf des 31. Dezember 2020 aus dem Arbeitsverhältnis aus. § 11 des Aufhebungsvertrages lautet wie folgt:
Anspruchsabgeltung
Soweit sich aus dieser Vereinbarung nichts anderes ergibt, sind mit deren Zustandekommen alle Ansprüche des Arbeitnehmers aus dem Rahmensozialplan vom 08.12.2014 sowie den ihn ergänzenden Regelungen erledigt und abgegolten. Von dieser Abgeltungsklausel nicht erfasst sind (etwaige) Ansprüche des Arbeitnehmers gemäß § 12 des vorerwähnten Sozialplans auf den (anteiligen) Jahresbonus und auf Aktienzuteilungen. ...
Der vorgenannte Rahmensozialplan vom 8. Dezember 2014 (wegen der Einzelheiten vgl. Anlage zur Klageschrift, Bl. 6 ff. d. A.) enthält in § 12 folgende Regelung:
§ 12 Bonus; Aktienprogramme
1. Im Austrittsjahr erhalten Mitarbeiter einen Bonus gemäß der jeweils gültigen Bonusregelung zeitanteilig, sofern das Arbeitsverhältnis im Austrittsjahr mindestens drei Monate bestanden hat, mit anderen Worten der Austrittstermin des Arbeitsverhältnisses nicht vor dem 31.03. des jeweiligen Kalenderjahres liegt. Sollte das Austrittsdatum vor dem 01.07. liegen, wird der Bonus pauschal mit einem Gesamtfaktor 1,0 (Group-, SPU, - und persönliche Zielerreichung) berechnet.
Für Austritte ab dem 01.07. eines Jahres muss ein ausgefüllter und abgeschlossener "My Plan" vorliegen. Liegt zum Austrittstermin noch kein Group- bzw. SPU-Faktor zur Berechnung vor, wird der Bonus für diese beiden Komponenten auf der Basis "DE - 1,0" ermittelt; der individuelle Faktor wird im Zielerreichungsgespräch zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter vereinbart. ...
Bezüglich der Zahlung von Boni gilt bei der A Europa SE und ihren Tochtergesellschaften eine "Konzernbetriebsvereinbarung über das Bonussystem ACB (Annual Cash Bonus)" vom 13. Juni 2012 (wegen der Einzelheiten vgl. Anlage zur Klageschrift, Bl. 29 ff. d. A.). In deren Präambel heißt es u. a.:
Im Rahmen des weltweit geltenden Bonussystems zahlen die oben aufgeführten Gesellschaften der A Europa SE ihren Mitarbeitern jährlich einen Bonus, sofern das Unternehmen bzw. die Unternehmenseinheit (B) eine Bonusgewährung vorsieht. Die Bonuszahlung dient der Würdigung der erbrachten Leistungen, aber auch als Motivation für die Zukunft. Diese Betriebsvereinbarung regelt das Verfahren zur Ermittlung der Höhe des Individualbonus aller Mitarbeiter, die einer individuellen Zielerreichung/-beurteilung im Rahmen des Performance Management Systems "My Plan" unterliegen.
Unter dem 8. Dezember 2018 vereinbarten die Konzernbetriebspartner eine "Ergänzungsvereinbarung zum Rahmensozialplan vom 08.12.2018", der eine Verlängerung der Laufzeit des Rahmensozialplans sowie Änderungen hinsichtlich seines Geltungsbereiches vorsah (wegen der Einzelheiten vgl. Anlage B2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 21. April 2022, Bl. 234 ff. d. A.).
Mit einer Mail vom 8. Juni 2020 teilte der CEO des A Konzerns C. an die Mitarbeiter aller A-Gesellschaften mit, dass Cash-Boni im Rahmen des jährlichen Cash-Bonus-Plans (ACB) sehr unwahrscheinlich in diesem Jahr seien und die Mitarbeiter bei ihren finanziellen Planungen keine ACB-Zahlung für 2020 einplanen sollten (vgl. näher Anlage B1 (Original) und B2 (Übersetzung) zum Schriftsatz der Beklagten vom 2. Juni 2021).
Die abschließende Bewertung, ob es einen Bonustopf gibt, erfolgt nie im Geschäftsjahr (Performancejahr), weil die Höhe des Budgets abhängig vom Jahresabschluss bzw. verschiedenen Kennzahlen (Scorecard) ist, welche frühestens im Januar des Folgejahres abschli...