Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit einer Kündigung wegen unterbliebener Beteiligung des Personalrats
Leitsatz (redaktionell)
1. § 108 Abs. 2 PersVG gilt für ein Bundesland unmittelbar.
2. Die Durchführung des jeweiligen von dem Landesgesetzgeber vorgeschriebenen Beteiligungsverfahrens ist Wirksamkeitsvoraussetzung jeder Kündigung (BAG - 2 AZR 843/12 - 26.09.2013; BAG - 2 AZR 50/09 - 28.01.2010).
3. § 108 Abs. 2 PersVG gilt nicht nur, wenn der Personalrat überhaupt nicht beteiligt wurde, sondern auch wenn die Beteiligung fehlerhaft ist. Eine ohne die Beteiligung des Personalrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam (§ 74 Abs. 3 LPVG NW).
4. Eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme kann gem. § 66 Abs. 1 S. 1 LPVG NW nur mit Zustimmung des Personalrats getroffen werden. Diese ist nicht erteilt, wenn der Personalrat mitteilt, er enthalte sich und gebe keine Stellungnahme ab.
5. Die Erklärung, der Personalrat enthalte sich und gebe keine Stellungnahme ab, vermag die Zustimmungsfiktion des § 66 Abs. 2 S. 5 LPVG NW nicht auszulösen.
Normenkette
LPVG NW § 66 Abs. 2, § 74 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Rheine (Entscheidung vom 09.07.2014; Aktenzeichen 1 Ca 196/14) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 09.07.2014 - 1 Ca 196/14 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche, betriebsbedingte Kündigung der Beklagten beendet ist.
Diese ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Der am 28.05.1953 geborene Kläger war bei ihr seit dem 01.09.2008 als Meister/Ausbilder im Bereich Hauswirtschaft tätig. Er hatte die Aufgabe, Maßnahmeteilnehmer im Bereich der beruflichen Eingliederung im Bereich Küche/Hauswirtschaft anzuleiten und auszubilden. Daneben war er für den Betrieb der hauseigenen Kantine und des hauseigenen Kiosks zuständig. Gelegentlich übernahm er das Catering für Lehrgänge und Veranstaltungen im Haus der Beklagten.
Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 22.07.2011 (Bl. 10 d.A.) zugrunde. Gemäß § 2 des Vertrages findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.
Am 16.08.2013 beschloss die Mitgliederversammlung der Beklagten, verschiedene Auftrags- und Sondermaßnahmen einzustellen. Wegen der Einzelheiten der beschlossenen Maßnahmen wird auf das von ihr mit Schriftsatz vom 17.03.2013 in Kopie vorgelegte Sitzungsprotokoll (Bl. 29, 30 d.A.) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 07.01.2014 (Bl. 37 bis 39 d.A.) teilte sie dem bei ihr bestehenden Personalrat ihre Absicht mit, das Arbeitsverhältnis des Klägers fristgerecht zum 30.06.2014, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin zu kündigen. Sie bat darum, etwaige Bedenken gemäß § 74 LPVG NW binnen der Frist nach § 66 Abs. 2 LPVG NW schriftlich darzulegen. Zur Begründung der Kündigung führte sie aus, durch das Schließen verschiedener Maßnahmen entfielen Stellenanteile. Sie sei deshalb gezwungen, zum 30.06.2014 an allen Standorten die Stellenanteile der Ausbilder in der beruflichen Eingliederung zu reduzieren. Die Sozialauswahl habe sie innerhalb der Gruppe Ausbilder/Meister an allen vier Standorten durchgeführt; der Kläger sei der drittstärkste betroffene Mitarbeiter. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestehe nicht.
Am 06.01.2014 erklärte der Personalratsvorsitzende, der Personalrat enthalte sich und gebe keine Stellungnahme ab. Die Kündigungsinformation (Bl. 37 d.A.) enthielt neben dieser Antwortalternative die weiteren Antworten "Der Personalrat stimmt zu" bzw. "Der Personalrat stimmt nicht zu".
Mit seiner am 04.02.2014 bei dem Arbeitsgericht Rheine eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung.
Er hat ausgeführt:
Die Beklagte habe den Personalrat nicht ordnungsgemäß informiert. Ihm sei nicht dargestellt worden, welche Stellenanteile entfallen seien. Es sei nicht verdeutlicht worden, warum seine Tätigkeiten nicht mehr anfielen. Seine Aufgaben seien unvollständig dargestellt worden. Das Ergebnis der Sozialauswahl sei nicht näher begründet worden. Der Personalrat habe jedenfalls der Kündigung vor Ausspruch nicht zugestimmt.
Die Beklagte habe keine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG gestellt.
Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass zukünftig bei Rückgang der Teilnehmerzahl im Bereich Hauswirtschaft nur noch 1,23 Ausbilderstellen benötigt würden. Bei einem Verhältnis von 6,5 Ausbildern zu 54 Teilnehmern würden bei 15 Teilnehmern 1,8 Ausbilder benötigt.
Im Übrigen finde nach § 2 Arbeitsvertrags vom 22.07.2011 der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 09.01.1987 Anwendung. Entgegen der tariflichen Regelung sei ihm kein anderer Arbeitsplatz angeboten worden.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 16.01.2014 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuwei...