Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfüllung des Urlaubsanspruchs durch Freistellung des Arbeitnehmers unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche nach fristloser Kündigung des Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EugH zum Inhalt des Urlaubsanspruchs stellt die Freistellung des Arbeitnehmers unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche nach einer außerordentlichen fristlosen Kündigung keine Erfüllung des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers dar.
Normenkette
BUrlG § 11; BGB § 362
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 29.03.2012; Aktenzeichen 6 Ca 4596/11) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 29.03.2012 - 6 Ca 4596/11 - teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.357,09 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.11.2011 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens zu 48 %, die Beklagte zu 52 %. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden der Beklagten zu 71 %, dem Kläger zu 29 % auferlegt.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen. Soweit die Berufung verworfen worden ist, wird sie nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um Urlaubsabgeltung sowie Urlaubsgeld.
Der am 24. Mai 1961 geborene Kläger war seit dem 01. Oktober 1987 bei der Beklagten gegen ein monatliches Gehalt von 3.639,41 € brutto beschäftigt. Der Kläger ist verheiratet und hat zwei unterhaltsberechtigte Kinder. Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 01. Oktober 1987 ist nicht unterschrieben. Er enthält unter Ziffer 6 "Weitere Kündigungsregelungen" die folgende Bestimmung:
"Der Arbeitgeber ist berechtigt, den/die Angestellten jederzeit und Fortzahlung des letzten monatlichen Gehaltes von der Arbeit freizustellen."
Unter Ziffer 14 "Anwendung einschlägiger Tarifverträge" heißt es:
"Im Übrigen finden auf das Arbeitsverhältnis die einschlägigen Tarifverträge für Angestellte Anwendung, die von dem für den Betrieb räumlich zuständigen Innungsverband des holz- und kunststoffverarbeitenden Handwerks für den Geltungsbereich des Betriebes abgeschlossen sind oder abgeschlossen werden. Dies gilt beispielsweise für Urlaub, vermögenswirksame Leistungen und Kündigungsfrist."
Die Beklagte wendet die Tarifverträge für den auftragsbezogenen Ladenbau in Nordrhein-Westfalen an. Dieser sieht unter Rn. 109 (Bl. 194 d. A.) die Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes vor, das 55 % des Urlaubsentgelts beträgt.
Mit Schreiben vom 19. Mai 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich mit sofortiger Wirkung, hilfsweise fristgemäß zum 31. Dezember 2011. Das Kündigungsschreiben (Bl. 47 d. A.) enthält den folgenden Passus:
"Im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werden Sie mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaub- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung ihrer Arbeitsleistung freigestellt."
Gegen die Wirksamkeit der Kündigung wandte sich der Kläger in einem unter dem Aktenzeichen 7 Ca 227/11 beim Arbeitsgericht Dortmund geführten Kündigungsrechtsstreit. Im Gütetermin vom 17. Juni 2011 vereinbarten die Parteien die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2011 aus betrieblichen Gründen. Außerdem enthält der Vergleich, zu dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 8 d. A. Bezug genommen wird, die folgenden Regelungen:
"...
5. Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis zum 30.06.2011 ordnungsgemäß ab. Die Parteien sind sich insofern auch dahingehend einig, dass der Kläger bis zum Beendigungstermin von der Erbringung seiner Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt bleibt.
6. Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, gleich ob bekannt oder unbekannt, erledigt.
..."
Mit einer bereits am 08. Juni 2011 erstellten Verdienstabrechnung für Mai 2011 (Bl. 14 - 15 d. A.) rechnete die Beklagte Urlaubsabgeltung für 88,23 Stunden bei einem Stundensatz von 20,55 € in Höhe von insgesamt 1.813,13 € ab. Nach einer unter dem 04. August 2011 erstellten weiteren Verdienstabrechnung (Bl. 22 - 23 d. A.) erhielt der Kläger ein Urlaubstagegeld in Höhe von 1.296,40 € brutto. Der sich aus der Abrechnung ergebende Nettobetrag wurde an den Kläger ausgezahlt.
Zuvor, nämlich mit Schreiben vom 01.08.2011 (Bl. 11 - 12 d. A.). hatte der Kläger u.a. die ordnungsgemäße Abrechnung bis zum 30. Juni 2011 gemäß Ziffer 5 des abgeschlossenen Vergleichs verlangt, insbesondere im Hinblick auf die Abgeltung noch ausstehenden Urlaubsansprüchen. Letzteres lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 09. August 2011 (Bl. 13 d. A.) ab. Mit seiner am 04. November 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger u.a. Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.357,09...