Die Revision wird nicht zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ende der Amtszeit des Betriebsrats. Neubegründung der Arbeitsverhältnisse der Betriebsratsmitglieder. Betriebsänderung im Sinne der §§ 111 BetrVG, 125 Abs. 1 InsO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Falle der fristlosen Eigenkündigung aller Betriebsratsmitglieder und aller Ersatzmitglieder endet die Amtszeit des Betriebsrats sofort; der Betrieb wird betriebsratslos. Eine Weiterführung des Amtes durch den nicht mehr existierenden Betriebsrat analog § 22 BetrVG kommt nicht in Betracht.

2. Wird das Arbeitsverhältnis nach rechtlicher Beendigung wieder neu begründet, so lebt das erloschene Betriebsratsamt dadurch grundsätzlich nicht wieder auf. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn das beendete Arbeitsverhältnis mit Wissen des Arbeitgebers bzw. des an seine Stelle getretenen Insolvenzverwalters „nahtlos” fortgesetzt wird und der Arbeitgeber/Insolvenzverwalter nicht gemäß § 655 BGB unverzüglich widerspricht.

3. Als Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 BetrVG gilt auch ein Personalabbau ohne Verringerung der sächlichen Betriebsmittel in der Größenordnung der Zahlen und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG ohne Beschränkung auf den Dreißig-Tage-Zeitraum. Als Umkehrschluss daraus folgt daraus, dass die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO dann nicht in Anspruch genommen werden kann, wenn es nur um die Kündigung einzelner Arbeitnehmer geht, ohne dass die Voraussetzungen für eine Betriebsänderung durch reinen Personalabbau gegeben sind.

 

Normenkette

BetrVG § 13 Abs. 2 Nr. 6, §§ 22, 24 Abs. 1 Nr. 3; BGB § 625; BetrVG § 111 S. 3; KSchG § 17 Abs. 1; InsO § 125 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Münster (Urteil vom 22.04.2004; Aktenzeichen 2 Ca 2851/03)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Münster vom 22.04.2004 – 2 Ca 2851/03 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer vom Beklagten nach Insolvenzeröffnung dem Kläger gegenüber ausgesprochenen Kündigung.

Der Beklagte ist durch Beschlüsse des Amtsgerichts Münster vom 21.08.2003 und vom 01.10.2003 – 74 IN 107/03 – zunächst zum vorläufigen und dann zum endgültigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der im Handelsregister des Amtsgerichts Beckum unter HRA 1974 eingetragenen Firma B1xxxxx GmbH & Co. KG (Insolvenzschuldnerin), einer Möbelfabrik aus O2xxx-S3xxxxxxx, bestellt worden.

Bei ihr war der 1964 geborene, verheiratete und drei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtete Kläger seit 1994 als Maschinenbediener zu einem durchschnittlichen Bruttomonatslohn von zuletzt von 2.000,00 EUR beschäftigt.

Im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung am 20.08.2003 hatte die Insolvenzschuldnerin noch 263 Arbeitnehmer, darunter die Mitglieder des von der Belegschaft gewählten neunköpfigen Betriebsrats. Bedingt durch eine Belegschaftsinitiative kündigten bis auf 17 alle übrigen Arbeitnehmer, darunter sämtliche Betriebsrats und Ersatzmitglieder, ihre Arbeitsverhältnisse zur Insolvenzschuldnerin selbst zum 30.09.2003 fristlos auf. Der Kläger sprach eine solche Kündigung nicht aus.

Nach Verfahrenseröffnung begründete der Beklagte mit 180 Arbeitnehmern ein neues Arbeitsverhältnis zu im Durchschnitt 22 % verringerten und damit auf Tarifniveau reduzierten Vergütungsansprüchen. Der Abschluss der neuen Arbeitsverträge mit den neu eingestellten 180 Arbeitnehmern erfolgte unter Nichtberücksichtigung der vormaligen Betriebszugehörigkeitszeiten.

Zuvor war eine Firma B1xxxxx Möbel GmbH gegründet und am 30.09.2003 beim Amtsgericht Beckum unter HRB 2577 ins Handelsregister eingetragen worden. Mit Klageschrift vom 08.10.2003 hat der Kläger die B1xxxxx Möbel GmbH als Beklagte zu 1) auf Feststellung in Anspruch genommen, dass sein Arbeitsverhältnis mit Wirkung des 01.10.2003 von der Insolvenzschuldnerin auf die Beklagte zu 1) zu unveränderten Bedingungen übergegangen sei. Aufgrund der Versicherung des Geschäftsführers B5xxxxx im Kammertermin vom 22.04.2004, die von ihm vertretene Beklagte zu 1) habe bislang keinerlei Tätigkeiten aufgenommen, hat der Kläger diese Klage zurückgenommen.

Unter dem 06.10.2003 schloss der Beklagte mit der IG Metall einen Anerkennungstarifvertrag und einen Standortsicherungstarifvertrag mit der Zielsetzung, den Standort und einen wesentlichen Teil der Beschäftigungsverhältnisse zu erhalten.

Mit Schreiben vom 07.10.2003 teilte der Beklagte dem Betriebsrat unter anderem folgende mit:

… Die drastischen Umsatzeinbußen, die zu erheblichen Verlusten geführt haben und damit Auslöser der Insolvenz waren, sind auf Dauer nicht durch die bislang praktizierte Kurzarbeit hinsichtlich der Beschäftigung auszugleichen.

Im Rahmen der vorgesehenen Fortführung des Betriebes und der noch für möglich erachteten Umsatzgrößen ist eine Anpassung der Beschäftigtenzahl auf 180 erforderlich, um den Bestand des Unternehmens künftig sichern zu können.

Dies bedeutet, dass 18 Arbeitnehmern ...

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