Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung. Witwenversorgung. Spätehenklausel. Wiederverheiratung
Leitsatz (amtlich)
Die Spätehenklausel gem. § 4 Abs. 4 der LO A des Essener Verbandes schließt auch dann eine Witwenversorgung aus, wenn die bei Beginn der Altersversorgung des früheren Angestellten bestehende Ehe geschieden wurde und sodann vor dem Versorgungsfall erneut geschlossen wurde.
Normenkette
Leistungsordnung A Essener Verband; AGG § 3
Verfahrensgang
ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 14.09.2010; Aktenzeichen 4 Ca 983/10) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 14.09.2010, Az. 4 Ca 983/10, wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte ist die ehemalige Arbeitgeberin des am 25.05.1938 geborenen Arbeitnehmers B1 N1, dem sie während des am 01.07.1966 begonnenen Arbeitsverhältnisses Versorgungsleistungen nach der Leistungsordnung A des Essener Verbandes zugesagt hatte. Das Arbeitsverhältnis der Beklagten mit Herrn B1 N1 endete am 31.12.1995.
Zum Zeitpunkt seines Todes am 29.03.2009 bezog der ehemalige Arbeitnehmer N1 eine betriebliche Altersrente von 1.386,36 EUR monatlich.
Die Klägerin ist die Witwe des verstorbenen Arbeitnehmers N1, mit dem sie – nach einer anderweitigen Ehe – seit dem 07.03.1986 bis zur auf ihren Antrag mit Urteil vom 29.08.2006 ausgesprochenen, am 03.01.2007 rechtskräftig gewordenen Scheidung dieser (ersten) Ehe und nach erneuter Eheschließung seit Juli 2008 verheiratet (zweite Ehe) war.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Zahlung einer Hinterbliebenenrente ab dem 1. April 2009 in Höhe von 60 % der zuletzt von dem verstorbenen Ehemann bezogenen betrieblichen Altersrente von 831,82 EUR monatlich.
Die Leistungsordnung A des Essener Verbandes (LO) enthält u. a. folgende Regelung:
§ 4 Hinterbliebenenbezüge
(1) Beim Tode eines Angestellten erhalten:
a) die Witwe oder der Witwer ein Witwen-/Witwergeld von 60 v. H. des Ruhegeldes, wenn der Verstorbene den Familienunterhalt überwiegend bestritten hat (siehe hierzu auch Anlage 2),
…
(4) War der Angestellte bei der Eheschließung 60 oder mehr Jahre alt oder mehr als 25 Jahre älter als sein Ehegatte oder war die Ehe nur geschlossen worden, um dem Ehegatten die Leistungen zuzuwenden, kommt ein Witwen-/Witwergeld nicht in Betracht. Das gleiche gilt für Witwen/Witwer aus Ehen, die während des Ruhegeldbezuges geschlossen worden sind: in dieser Zeit adoptierte Kinder erhalten kein Waisengeld.
…
§ 6 Regelungen in begründeten Ausnahmefällen
(1) In begründeten Ausnahmefällen kann
- …
- …
- Von der Versagung des Witwen-/Witwergeldes ganz oder teilweise abgesehen werden.
(2) Bei Wegfall des Witwen/Witwergeldes infolge Wiederheirat kann der Witwe oder dem Witwer eine einmalige Zuwendung bis zur Höhe des zweifachen Jahresbetrages des Witwen-/Witwergeldes gewährt werden.
(3) Ist der Lebensunterhalt des Ehegatten, der geschieden ist und nicht wieder heiratet, von dem verstorbenen Angestellten ganz oder teilweise bestritten worden, kann ihm, sofern ein Versorgungsausgleich nach § 1587 BGB nicht stattgefunden hat, eine Unterstützung gewährt werden. Die Unterstützung darf höchstens den bisherigen Unterhalt erreichen; sie darf das Witwen-/Witwergeld nicht übersteigen.”
Anlage 2
Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung (§ 4 Abs. 1a)
Für die Feststellung der Hinterbliebenenbezüge ab 01.01.1986 gilt folgendes:
1. Ist ein männlicher Angestellter vor dem 01.01.1986 angemeldet worden, entfällt eine Unterhaltsprüfung.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Spätehenklausel in § 4 Abs. 4 der Leistungsordnung A könne ihrem Anspruch nicht entgegengehalten werden. Deren einschränkende Auslegung sei nach Sinn und Zweck der Vorschrift geboten, weil die Wiederverheiratung der Eheleute für die Beklagte kein neues und damit unkalkulierbares Risiko darstelle. Entscheidend sei, dass die Beklagte bei Entstehung des Witwengeldanspruches aufgrund der zweiten Ehe mit exakt dem Sachverhalt konfrontiert werde, wie er sich bei Vollendung des 60. Lebensjahres bzw. bei Beginn des Rentenbezuges des ehemaligen Arbeitnehmers dargestellt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei der verstorbene Arbeitnehmer mit der Klägerin in erster Ehe verheiratet gewesen. Dabei sei diese erste Ehe bereits während des aktiven Beschäftigungsverhältnisses geschlossen worden und habe bei Vollendung des 60. Lebensjahres bzw. bei Rentenbeginn noch bestanden. Dass diese erste Ehe nach Eintritt des Versorgungsfalles zwischenzeitlich geschieden und erst durch die zweite Ehe wiederbegründet worden sei, sei für den Kausalverlauf unbeachtlich.
Da § 4 Abs. 4 der LO lediglich der Risikoabgrenzung zum Zeitpunkt des Ausscheidens bzw. Erreichens des 60. Lebensjahres diene, könne sich die Beklagte zu einem späteren Zeitpunkt nicht auf diese Vorschrift berufen, wenn der Versorgungsbedarf zu diesem Zeitpunkt bereits angelegt gew...