Entscheidungsstichwort (Thema)
Differenzentgeltansprüche des Arbeitnehmers gegenüber dem Insolvenzverwalter
Leitsatz (redaktionell)
Ein Insolvenzverwalter darf sich gemäß § 242 BGB nicht auf die Verjährung von Differenzansprüchen berufen, die wegen angezeigter und fortdauernder Masseunzulänglichkeit zunächst nicht verfolgt wurden und der Insolvenzverwalter keinen Anlass zum Zweifel an der Erfüllung der Forderung beim Wegfall der angezeigten Masseunzulänglichkeit nach insolvenzrechtlichen Vorgaben gegeben hat.
Normenkette
BGB §§ 214, 242; SGB X § 115
Verfahrensgang
ArbG Bochum (Entscheidung vom 12.05.2023; Aktenzeichen 5 Ca 135/23) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 12.05.2023 - 5 Ca 135/23 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Differenzentgeltansprüche des Klägers.
Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter der Fa. A GmbH & Co. Maschinenfabrik KG (nachfolgend Insolvenzschuldnerin). Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Bochum am 29.06.2018 das Insolvenzverfahren eröffnet (80 IN 264/18). Der Beklagte zeigte am 29.06.2018 die Massenunzulänglichkeit an. Unter dem 03.07.2018 erhielten die Massegläubiger vom Insolvenzgericht den Hinweis auf das Vollstreckungsverbot nach § 210 InsO.
Der am 08.02.1963 geborene Kläger war bei der Insolvenzschuldnerin seit dem 05.12.1994 als Betriebsleiter beschäftigt.
Der Beklagte stellte den Kläger mit Schreiben vom 28.06.2018 unwiderruflich unter Anrechnung von Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüchen von der Erbringung der Arbeitsleistung frei.
Der Beklagte kündigte das mit dem Kläger bestandene Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 06.07.2018 zum 31.10.2018.
Der Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 06.12.2018 (vgl. Bl. 15 der Akte) mit, dass er für den Zeitraum der auslaufenden Kündigungsfrist vom 26.09.2018 bis zum 31.10.2018 noch Anspruch auf Lohn/Gehalt habe.
Der Beklagte nahm einen Betrag in Höhe von 11.773,71 € für Vergütungsansprüche des Klägers für den Zeitraum vom 29.06.2018 bis zum 31.10.2018 abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengelds in die Massetabelle auf.
Im Laufe des Insolvenzverfahrens konnte der Beklagte Ansprüche realisieren und so Gelder zur Masse ziehen. Auch Altmasseverbindlichkeiten können teilweise bedient werden.
Der Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 11.10.2022 mit, dass er bezüglich der Altmasseforderung des Klägers die Einrede der Verjährung erhebe und die Forderung des Klägers bei der Verteilung nicht berücksichtigen werde (vgl. Bl. 18 der Akte).
Mit einem am 31.01.2023 beim Arbeitsgericht Bochum eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er macht die Zahlung seiner Differenzlohnansprüche in Höhe von 11.773,71 € geltend. Hilfsweise begehrt er die Feststellung, dass ihm eine nicht verjährte Altmasseforderung in Höhe von 11.773,71 € zusteht. Und weiter hilfsweise die Feststellung, dass der Beklagte seiner Altmasseforderung nicht die Einrede der Verjährung entgegenhalten kann.
Der Kläger hat vorgetragen, dass offen sei, ob das Bundesarbeitsgericht die Aufnahme von Masseforderungen in die Massetabelle nicht als Anerkenntnis werde, das die Verjährung hemme.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Verjährungseinrede des Beklagten zumindest als treuwidrig anzusehen sei. Arbeitnehmer dürften nach Aufnahme von Masseforderungen in die Massetabelle regelmäßig darauf vertrauen, dass der Insolvenzverwalter als staatlich beliehene Amtswalter das Insolvenzverfahren ordnungsgemäß entsprechend den insolvenzrechtlichen Vorschriften abwickeln und berechtigte Forderungen auch erfüllen würden, ohne sie in die Verjährung laufen zu lassen.
Der Kläger hat weiter vorgetragen, dass nach angezeigter Masseunzulänglichkeit gemäß § 210 InsO nur Feststellungsklagen möglich seien, die ein Feststellungsinteresse erforderten. Ein solches Feststellungsinteresse liege jedoch regelmäßig nicht vor, wenn der Insolvenzverwalter die Masseansprüche ohne sie zu bestreiten in die Massetabelle aufgenommen habe.
Der Kläger hat gemeint, dass die Rechtsprechung, dass Ausschlussfristen in der Insolvenz bzw. bei der Nichtzahlung von Lohn aus wirtschaftlichen Gründen nicht zur Anwendung kämen, konsequenterweise auch auf Verjährungsfristen übertragen werden müsste.
Der Kläger hat außerdem Ansicht vertreten, dass auch eine dem von § 205 BGB geregelten Fall vergleichbare Interessenlage vorliegt. Es sei regelmäßig von einem konkludent zwischen den Parteien vereinbarten Leistungsverweigerungsrecht des Insolvenzverwalters auszugehen. Durch sein Stillhalten bestätige der Gläubiger das Leistungsverweigerungsrecht des Insolvenzverwalters konkludent. Daher könne von einer analogen Anwendung des § 205 BGB ausgegangen werden.
Der Kläger hat beantragt,
- den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 11.773,71 € brutto (Steuerbrutto) zu zahlen;
- hilfsweise festzustellen, dass dem Kläger in dem beim Amtsgericht Bochum unter dem Akt...