Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung Arbeitsvertrag. Verweis auf Tarifverträge in Arbeitsvertrag. Verweis auf Tarifverträge in unwirksamer Betriebsvereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
Haben nicht tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien die Vergütung in einem Vollzeitarbeitsverhältnis nach einer bestimmten tariflichen Vergütungsgruppe vereinbart, ohne den Umfang der Arbeitszeit selbst zu regeln, ist davon auszugehen, dass auch die tariflich geltende Arbeitszeit geschuldet wird. Bei einer Bezugnahme auf die "gültigen Betriebsvereinbarungen" gelten die tariflichen Bestimmungen bei Ungültigkeit der Betriebsvereinbarung individualrechtlich nicht.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 305c Abs. 2, § 611; BetrVG § 77 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Münster (Entscheidung vom 17.06.2011; Aktenzeichen 4 Ca 57/11) |
Nachgehend
Tenor
Das Versäumnisurteil vom 21.11.2012 wird aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 17.06.2011 - 4 Ca 57/11 - zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt mit Ausnahme der Kosten, die durch die Säumnis des Klägers in der Berufungsverhandlung vom 21.11.2012 entstanden und von diesem zu tragen sind.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Restvergütungsansprüche des Klägers, wobei zwischen ihnen hauptsächlich die Frage streitig ist, ob die Beklagte zur Weitergabe der Tariflohnerhöhungen verpflichtet ist.
Der am 19.09.1954 geborene Kläger und verheiratete Kläger, der keine Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern hat, ist seit dem 01.04.1979 bei der Beklagten als Mitarbeiter in der technischen Abteilung, zuletzt auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 30.06.1999 (Bl. 20 d.A.) tätig. Dieser Arbeitsvertrag enthält u.a. folgende Regelungen:
"§ 2
Herr M1 erhält eine Vergütung nach Lohngruppe IV, Stundenlohn z.Z. DM 24,05 brutto.
§ 3
Die vertragsschließenden Parteien sind sich darüber einig, dass sich sowohl alle übrigen Rechte als auch die Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis nach den Bestimmungen der für die Halle M2 jeweils gültigen Betriebsvereinbarung richten, die somit Grundlage dieses Arbeitsvertrages ist."
Die Beklagte ist mit der Durchführung von Veranstaltungsaufgaben, insbesondere Tagungen, Kongressen, öffentlichen Veranstaltungen und Festen, Märkten sowie Ausstellungen und Messen befasst. Die Beklagte, bei der ein Betriebsrat gewählt ist, könnte aufgrund der mehrheitlichen Beteiligung der Stadt M3 nach § 3 Nr. 1 b der Satzung des Kommunalen Arbeitgeberverbandes NRW (KAV NW) Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes sein.
Die in den einzelnen Arbeitsverträgen erwähnten Betriebsvereinbarungen enthielten seit vielen Jahren Regelungen zum Inhalt der Arbeitsverhältnisse der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer. Zuletzt schlossen die Betriebsparteien insoweit am 08.02.2001 eine Betriebsvereinbarung, die u.a. folgende Regelung enthält:
"§ 2
Anwendung von Tarifverträgen
1. Soweit in dieser Vereinbarung keine besonderen Regelungen getroffen sind, werden Bestimmungen der Tarifverträge BAT und BMT-G in der Fassung vom 01.08.2000 sowie NGG in der Fassung vom 01.01.1995 auf die Beschäftigungsverhältnisse wie folgt angewandt:
A. Mitarbeiter/innen im Verwaltungs- und gewerblich-technischen Bereich:
a) Angestellte (BAT)
...................................
b) Arbeiter (BMT-G)
Der § 4 (Arbeitsvertrag, Nebenabreden), § 5 (Probezeit), § 8 (Vergütung), § 9 (Allgemeine Pflichten), § 10 (Ärztliche Untersuchung), § 11 (Nebenbeschäftigungen), § 11 a (Personalakten), § 18 (Arbeitsversäumnis), § 28 (Sicherung des Lohnstandes bei Leistungsminderung), § 29 (Lohnfortzahlung bei persönlicher Arbeitsverhinderung), § 32 (1) (hier nur Reisekostenvergütung), § 36 (Forderungsübergang bei Dritthaftung), § 39 (Sterbegeld), § 40 (Beihilfen), §§ 41 - 48 (Erholungsurlaub, Sonderurlaub), §§ 49 und 51 und §§ 53 - 57 (Beendigung des Arbeitsverhältnisses), §§ 58 - 60 (Übergangsgeld), § 63 (Ausschlussfrist) und § 67 (Begriffsbestimmung des Bundesmantel-Tarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltung und Betriebe (BMT-G)."
Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Betriebsvereinbarung wird auf Bl. 53 - 63 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Bis September 2005 gewährte die Beklagte im Ergebnis sämtliche Tariflohnerhöhungen nach dem BAT bzw. BMT-G den danach bzw. in "Anlehnung danach" vergüteten Beschäftigten, wobei die zum 01.05.2004 vereinbarten Tariflohnerhöhungen von der Beklagten erst mit Wirkung zum 01.07.2004 gewährt wurden.
Mit Schreiben an den Betriebsratsvorsitzen vom 15.08.2005 (Bl. 337) teilte die Beklagte mit, dass die Mitarbeiter, die bisher in Anlehnung an den BAT bzw. BMT-G eingruppiert waren, ab dem 01.01.2005 in Anlehnung an den TVöD eingruppiert und entlohnt würden.
Am 05.10.2010 fand bei der Beklagten die in dem Schreiben an den Betriebsratsvorsitzenden vom 15.08.2005 erwähnte Mitarbeiterversammlung statt, in der die Geschäftsführerin der Beklagten, ...