Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschließliche Relevanz des aktuellen Arbeitgebers bei tariflichen Tätigkeitsjahren. Keine Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten bei Tätigkeitsjahren im GTV Einzelhandel NRW. Auslegung des tariflichen Begriffs der Tätigkeitsjahre

 

Leitsatz (amtlich)

"Tätigkeitsjahre" im Sinne des § 3 A Abs. 2 S. 1 GTV Einzelhandel NRW sind nur Beschäftigungszeiten, die beim aktuellen Arbeitgeber zurückgelegt wurden.

 

Normenkette

Gehalts-TV Einzelhandel NRW § 3 A; ZPO § 91 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 14.05.2020; Aktenzeichen 1 Ca 671/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 14.05.2020 - 1 Ca 671/20 - wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin auf Zahlung von Arbeitsentgelt nach Maßgabe des Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel NRW (GTV). Hintergrund des Streits sind insbesondere unterschiedliche Auffassungen der Parteien darüber, ob Vorbeschäftigungszeiten der Klägerin im Rahmen der Eingruppierung zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin absolvierte eine Ausbildung zur Bekleidungstechnikerin. Sie war im Zeitraum von Februar 1987 bis August 2016 mehr als 15 Jahre bei Unternehmen des Einzelhandels beschäftigt. Berufsbegleitend nahm sie von März 1995 bis Mai 1996 am Vorbereitungslehrgang auf die IHK-Prüfung: "Geprüfte Handelsfachwirtin" teil und legte die Prüfung zur Handelsfachwirtin im November 1996 ab. Die Klägerin ist ihren Angaben zufolge seit 1994 Mitglied der Gewerkschaft ver.di.

Vom 13.10.2017 bis zum 13.01.2019 die Klägerin für die Beklagte als "Retail Operative" tätig. Sie arbeitet in der A Filiale der Beklagten. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen des Einzelhandels, ihr Sortiment besteht im Wesentlichen aus Mode- und Kosmetikartikeln. Sie ist seit dem 01.05.2017 Mitglied des Handelsverbandes Nordrhein-Westfalen - Rheinland mit Tarifbindung.

Die Beklagte schloss mit der Gewerkschaft ver.di unter dem 17.12.2015 einen Anerkennungs- und Übergangstarifvertrag (AÜTV) ab, der unter § 11 Folgendes regelt:

§ 11 Gehalts- und Lohnregelung

(1) Die Festsetzung der Entgelte erfolgt ab dem 01.05.2016 bis zum 30.04.2017 entsprechend der Anlage B dieses Tarifvertrages.

(2) Ab dem 01.05.2017 gelten die regionalen Entgelttarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung dynamisch.

(3) Zu beiden Stichtagen sind die Arbeitnehmer unter Beachtung der Mitbestimmung der Betriebsräte in die jeweiligen Entgeltgruppen einzugruppieren.

Maßgeblich sind jeweils die vom Arbeitnehmer überwiegend ausgeübten Tätigkeiten sowie die Berücksichtigung seiner bisherigen Berufs-, Beschäftigungs- bzw. Tätigkeitsjahre.

(4) Bis 30.04.2017 gelten als

- Tätigkeitsjahre die bei B zurückgelegten Jahre einer Beschäftigung in der entsprechenden Gehaltsgruppe

- Berufsjahre die in einem kaufmännischen Beruf bzw. im Einzelhandel zurückgelegten Beschäftigungszeiten. Gleichgestellt sind die nach Abschluss einer fachbezogenen gewerblichen Ausbildung zurückgelegten Beschäftigungszeiten, soweit diese dem Tätigkeitsbereich des Beschäftigten bei B entsprechen. Im Fall einer abgeschlossenen kaufmännischen oder fachbezogenen gewerblichen Berufsausbildung wird die Ausbildungszeit bis zu einer Dauer von maximal drei Jahren bei der Ermittlung der Berufsjahre berücksichtigt.

Im Arbeitsvertrag, den die Parteien im August 2017 abschlossen, heißt es u.a.:

§ 3 Geltung von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, Bezugnahme

3.1 Sofern der Arbeitgeber im Heimatstore des Arbeitnehmers an Tarifverträge gebunden ist, finden diese Tarifverträge - auch aus Gründen der Gleichstellung mit den unmittelbar tarifgebundenen Arbeitnehmern - in ihrer jeweils geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Kommen unterschiedliche Tarifverträge als Verweisungsziel in Betracht, so gilt nur der jeweils speziellere Tarifvertrag. (...)

§ 5 Vergütung

5.1 Der Arbeitnehmer erhält das im gemäß § 3.1 anwendbaren Tarifvertrag vorgesehene Entgelt entsprechend seiner jeweiligen tariflichen Eingruppierung. Zusätzlich werden ggf. Zuschläge nach Maßgabe der jeweils anwendbaren tarifvertraglichen Bestimmungen gewährt.

Die derzeitige Eingruppierung des Arbeitnehmers und das sich daraus derzeit ergebende Tarifentgelt sind in der Anlage wiedergegeben. (...)

Der Arbeitsvertrag war bis zum 13.01.2019 befristet. Die Anlage 1 zum Arbeitsvertrag sah vor, dass die Klägerin in die "Gehaltsgruppe A, 1. Tätigkeitsjahr" eingruppiert ist und auf Grundlage einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden eine monatliche Vergütung in Höhe von 828,77 Euro brutto erhält.

Im Gehaltstarifvertrag vom 29.08.2017, der zwischen dem Handelsverband Nordrhein-Westfalen e.V. und der Gewerkschaft ver.di für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen abgeschlossen wurde und zum 01.05.2017 in Kraft trat, ist u.a. Folgendes geregelt:

§ 1 Geltungsbereich

Dieser Tarifvertrag gilt, unabhängig ...

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