Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten bei Eingruppierung und Lohnzahlung nach GTV Einzelhandel NRW. Tätigkeitsjahre bei früherem Arbeitgeber im Sinne von Beschäftigungszeiten

 

Leitsatz (amtlich)

"Tätigkeitsjahre" im Sinne des § 3 A Abs. 2 S. 1 GTV Einzelhandel NRW sind nur Beschäftigungszeiten, die beim aktuellen Arbeitgeber zurückgelegt wurden.

 

Normenkette

Gehalts-TV Einzelhandel NRW § 3 A; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 23.07.2020; Aktenzeichen 1 Ca 1071/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 23.07.2020 - 1 Ca 1071/20 - wie folgt abgeändert:

Die Klage mit den Anträgen zu 1) und 2) wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin auf Zahlung von Arbeitsentgelt nach Maßgabe des Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel NRW (GTV). Hintergrund des Streits sind unterschiedliche Auffassungen der Parteien darüber, ob Vorbeschäftigungszeiten der Klägerin im Rahmen der Eingruppierung zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin, die über keine kaufmännische Ausbildung verfügt, ist seit dem 13.10.2017 für die Beklagte als "Retail Assistant" tätig. Sie arbeitet in der Cer Filiale der Beklagten. Ihre Arbeitsaufgaben bestehen im Verkauf und Kassieren. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen des Einzelhandels, ihr Sortiment besteht im Wesentlichen aus Mode- und Kosmetikartikeln. Die Klägerin ist seit Mai 2019 Mitglied der Gewerkschaft ver.di.

Die Klägerin war bereits zuvor im Einzelhandel tätig. Vom 16.07.2001 - 14.07.2006 war sie bei der N Handelsgesellschaft mbH & Co. KG als Kassiererin beschäftigt. Vom 02.01.2008 - 30.06.2013 war sie bei der U Baumarkt GmbH als Mitarbeiterin in der Warenannahme beschäftigt. Vom 08.12.2014 - 30.09.2016 war sie bei der I Baumarkt GmbH & Co. Handels-KG als Mitarbeiterin in der Disposition beschäftigt. Vom 23.01.2017 - 06.03.2017 war sie bei der M Elektro GmbH als Kassiererin beschäftigt.

Die Beklagte schloss mit der Gewerkschaft ver.di unter dem 17.12.2015 einen Anerkennungs- und Übergangstarifvertrag (AÜTV) ab, der unter § 11 Folgendes regelt:

§ 11 Gehalts- und Lohnregelung

(1) Die Festsetzung der Entgelte erfolgt ab dem 01.05.2016 bis zum 30.04.2017 entsprechend der Anlage B dieses Tarifvertrages.

(2) Ab dem 01.05.2017 gelten die regionalen Entgelttarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung dynamisch.

(3) Zu beiden Stichtagen sind die Arbeitnehmer unter Beachtung der Mitbestimmung der Betriebsräte in die jeweiligen Entgeltgruppen einzugruppieren.

Maßgeblich sind jeweils die vom Arbeitnehmer überwiegend ausgeübten Tätigkeiten sowie die Berücksichtigung seiner bisherigen Berufs-, Beschäftigungs- bzw. Tätigkeitsjahre.

(4) Bis 30.04.2017 gelten als

- Tätigkeitsjahre die bei Q zurückgelegten Jahre einer Beschäftigung in der entsprechenden Gehaltsgruppe

- Berufsjahre die in einem kaufmännischen Beruf bzw. im Einzelhandel zurückgelegten Beschäftigungszeiten. Gleichgestellt sind die nach Abschluss einer fachbezogenen gewerblichen Ausbildung zurückgelegten Beschäftigungszeiten, soweit diese dem Tätigkeitsbereich des Beschäftigten bei Q entsprechen. Im Fall einer abgeschlossenen kaufmännischen oder fachbezogenen gewerblichen Berufsausbildung wird die Ausbildungszeit bis zu einer Dauer von maximal drei Jahren bei der Ermittlung der Berufsjahre berücksichtigt.

Im Arbeitsvertrag, den die Parteien unter dem 28.07.2017 abschlossen, heißt es u.a.:

§ 3 Geltung von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, Bezugnahme

3.1 Sofern der Arbeitgeber im Heimatstore des Arbeitnehmers an Tarifverträge gebunden ist, finden diese Tarifverträge - auch aus Gründen der Gleichstellung mit den unmittelbar tarifgebundenen Arbeitnehmern - in ihrer jeweils geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Kommen unterschiedliche Tarifverträge als Verweisungsziel in Betracht, so gilt nur der jeweils speziellere Tarifvertrag. (...)

§ 5 Vergütung

5.1 Der Arbeitnehmer erhält das im gemäß § 3.1 anwendbaren Tarifvertrag vorgesehene Entgelt entsprechend seiner jeweiligen tariflichen Eingruppierung. Zusätzlich werden ggf. Zuschläge nach Maßgabe der jeweils anwendbaren tarifvertraglichen Bestimmungen gewährt.

Die derzeitige Eingruppierung des Arbeitnehmers und das sich daraus derzeit ergebende Tarifentgelt sind in der Anlage wiedergegeben. (...)

Die Anlage 1 zum Arbeitsvertrag sieht vor, dass die Klägerin in die "Gehaltsgruppe A, 1. Tätigkeitsjahr" eingruppiert ist und auf Grundlage einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.036,03 Euro brutto erhält. Mit dem Änderungsvertrag vom 29.05.2018 vereinbarten die Parteien, dass die Arbeitszeit der Klägerin ab dem 01.06.2017 wöchentlich 37,5 Stunden beträgt. Die Klägerin bezog im April 2020 ein Entgelt nach der Gehaltsgruppe A im 3. Tätigkeitsjahr des GTV; ihr Grundgehalt betrug 1.867 Euro brutto.

Im Geh...

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