Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertretungsmacht bei Unterzeichnung einer Kündigung durch Prokurist und weiteren Mitarbeiter. Unverzügliche Zurückweisung möglich
Leitsatz (redaktionell)
Die Vertretungsbefugnis bei Unterzeichung einer Kündigung wird nicht deutlich, wenn das Kündigungsschreibens mit dem Zusatz "ppa" durch einen Prokuristen, der nach der Eintragung in das Handelsregister über Gesamtprokura gemeinsam mit einem Geschäftsführer und einem anderen Prokuristen verfügt und gleichzeitig nach Arbeitgebervortrag der "alleinige" Personalleiter ist und zusätzlich eine Unterschrift des Kündigungsschreibens mit dem Zusatz "i.V." durch einen Personalsachbearbeiter mit Handlungsvollmacht geschieht.
Normenkette
BGB § 174
Verfahrensgang
ArbG Herne (Entscheidung vom 09.01.2013; Aktenzeichen 5 Ca 1235/12) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 09.01.2013 - 5 Ca 1235/12 - unter Verwerfung der Berufung hinsichtlich des Antrags auf Erteilung eines
Zwischenzeugnisses als unzulässig teilweise wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 27.04.2012 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits als Transportmitarbeiter weiterzubeschäftigen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 6 %, die Beklagte zu 94 %.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung der Beklagten beendet ist.
Der am 19.02.1955 geborene, verheiratete, gegenüber einem Kind unterhaltsverpflichtete Kläger ist seit dem 01.11.2006 bei der Beklagten als Transportmitarbeiter in der Abteilung Interner Transport (Fertigungsbereich) Kostenstelle 12345 eingesetzt. Er erzielte zuletzt eine Bruttomonatsvergütung von 2.700,00 €.
Die Beklagte beschäftigt ca. 720 Mitarbeiter.
Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 04.10.2006 (Bl. 33 bis 36 d.A.) zugrunde. Nach § 12 des Arbeitsvertrages sind die tariflichen Bestimmungen des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens ergänzend anwendbar.
Bei der Beklagten besteht ein Betriebsrat mit 13 Mitgliedern. Betriebsratsvorsitzender ist P1 B1.
Am 29.03.2012 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat einen Interessenausgleich (Bl. 37 bis 42 d.A.). Als Anlagen 1) sind diesem beigefügt eine Hausmitteilung vom 27.02.2012 (Bl. 43, 44 d.A.), eine Stellungnahme der K1 AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 09.03.2012 (Bl. 45 bis 52 d.A.) sowie als Anlagen 2) eine Übersicht bzgl. der Anpassung der Kapazitäten an die Absatz- und Produktionsplanung vom 27.02.2012 (Bl. 53 bis 56 d.A.) sowie weitere Hausmitteilungen vom 27.02.2012 (Bl. 58, 59 d.A.) und vom 22.03.2012 (Bl. 57 d.A.). Ebenfalls als Anlage 2) wurde eine Übersicht bzgl. der Entwicklung der Altersstruktur (Bl. 64 d.A.) dem Interessenausgleich beigefügt. Die Unterlagen sind jeweils von dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Betriebsratsvorsitzenden paraphiert. Der Interessenausgleich ist auf der letzten Seite von dem Geschäftsführer, dem Betriebsratsvorsitzenden und einem weiteren Betriebsratsmitglied unterzeichnet.
Als Anlage 3) wurde eine Namensliste zum Interessenausgleich genommen, die ebenfalls Seite für Seite von den Betriebsparteien paraphiert und am Ende der Liste unterschrieben wurde (Bl. 65 bis 74 d.A.).
Mit der Personalnummer 1234567 wird der Kläger in der Namensliste aufgeführt (Bl. 69 d.A.). Er wurde der Altersgruppe 4 zugeordnet und erhielt insgesamt 82 Punkte. Als tarifliche Kündigungsfrist ist eine Frist von 2 Monaten zum Monatsende (30.06.2012) ausgewiesen.
Ebenfalls am 29.03.2012 schlossen die Betriebsparteien einen Sozialplan (Bl. 75 bis 86 d.A.).
Mit Schreiben vom 02.04.2012 (Bl. 96 bis 105 d.A.) zeigte die Beklagte bei der Bundesagentur für Arbeit die Entlassung von insgesamt 156 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an. Zur Darstellung der betroffenen Berufsgruppen und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer fügte sie eine Anlage (Bl. 98, 99 d.A.) sowie eine Liste der zur Entlassung vorgesehenen Arbeitnehmer (Bl. 100 bis 105 d.A.) hinzu.
Mit Schreiben vom 16.04.2012 (Bl. 106 d.A.) teilte die Bundesagentur für Arbeit mit, der Ausschuss habe die Sperrfrist für die Entlassung von insgesamt 156 Arbeitnehmern auf den Tag des Eingangs der Anzeige festgelegt, die Maßnahmen könnten wie geplant durchgeführt werden, da die Kündigungen nach Eingang der Anzeige ausgesprochen und die Freisetzungen nach Ablauf der Sperrfrist erfolgen würden.
Mit Schreiben vom 19.04.2012 (Bl. 94 bis 95 d.A.) teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, das Arbeitsverhältnis zu dem Kläger aus dringenden betriebsbedingten Gründen fristgerecht zum 30.06.2012 bzw. zum nächstmöglichen Termin kündigen zu wollen. Der Antrag ging am 19.04.2012 bei dem Betriebsrat ein.
Mit Schreiben vom 27.04.2012, dem Kläger am selben Tag ...