Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung / Schwerbehinderung / Anerkennungsantrag / Kenntnis des Arbeitgebers / Mitteilung der Schwerbehinderung durch den Betriebsrat im Rahmen der Anhörung gem. § 102 BetrVG
Leitsatz (amtlich)
Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber im Zuge des Anhörungsverfahrens gem. § 102 BetrVG mit, der Arbeitnehmer gebe an, einen Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft gestellt zu haben, so genügt dies zur Erhaltung des Sonderkündigungsschutzes für Schwerbehinderte, wenn tatsächlich ein entsprechender Anerkennungsantrag vorliegt. Für die Kenntnis des Arbeitgebers vom Anerkennungsantrag ist nicht erforderlich, dass sich der Arbeitnehmer hierauf persönlich beruft.
Normenkette
SGB IX § 85
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Urteil vom 12.12.2002; Aktenzeichen 6 Ca 4296/02) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 12.12.2002 – 6 Ca 4296/02 – abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.06.2002 nicht beendet worden ist.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens – längstens bis zum 31.01.2004 – arbeitsvertragsgemäß weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung vom 27.06.2002, welche die Beklagte auf den Vortrag stützt, die Klägerin sei aus gesundheitlichen Gründen zur Fortführung ihrer arbeitsvertraglichen Tätigkeit als Auszeichnerin/Kommissioniererin in der Verkaufsfiliale der Beklagten nicht mehr in der Lage.
Durch Urteil vom 12.12.2002 (Bl. 39 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht den verfolgten Kündigungsfeststellungsantrag sowie den Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, sowohl aus dem von der Klägerin vorgelegten Attest als auch aus der betriebsärztlichen Stellungnahme ergebe sich zweifelsfrei, dass die Klägerin die anfallenden Tätigkeiten, insbesondere Über-Kopf-Arbeiten und das Bewegen von Gewichten zwischen 10 und 15 kg, nicht mehr ohne Gefährdung ihrer Gesundheit ausüben könne. Eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen sei nicht möglich, weswegen die ausgesprochene Kündigung rechtlich nicht beanstandet werden könne.
Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung macht die Klägerin weiterhin die Unwirksamkeit der Kündigung geltend und verweist auf die unstreitige Tatsache, dass sie zwischenzeitlich durch Bescheid des Versorgungsamtes Dortmund vom 23.12.2002 mit Wirkung ab dem 13.05.2002 als Schwerbehinderte mit einem GdB von 50 anerkannt worden ist. Mangels Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung erweise sich diese damit als unwirksam. Soweit die Beklagte geltend mache, ihr sei die Schwerbehinderung bzw. ein entsprechender Anerkennungsantrag der Klägerin nicht bekannt gewesen, greife dieser Einwand nicht durch. Vielmehr ergebe sich aus dem Schreiben des Betriebsrats vom 31.05.2002 ein entsprechender Hinweis. Das genannte Schreiben (Bl. 13 d.A.) dazu hat folgenden Wortlaut:
„…
Bedenken gegen Kündigung von Frau S1xxxxxxx,
Der Betriebsrat hat in seiner Sitzung vom 28.05.2002 beschlossen, der Kündigung von Frau S1xxxxxxx nicht zuzustimmen.
Im folgenden erhalten Sie eine Stellungnahme mit Angabe der Gründe.
Begründung:
Frau S1xxxxxxx hat im Gespräch mit der Betriebsrätin H3xxx M2xxxxx erklärt, dass sie einen Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung gestellt hat.
Eine von der Personalleitung genannte Überprüfung von Umsetzungsmöglichkeiten erscheint dem Betriebsrat nicht ausreichend gewesen zu sein.
Dem Betriebsrat ist bekannt, dass es andere Kolleginnen und Kollegen in anderen Bereichen des W3x U1xx mit vergleichbaren Erkrankungen und ‚10-Kilo-Schein’ gibt und diese sehr wohl beschäftigt werden können.
Als eine konkrete Einsatzmöglichkeit kann hier als ein Beispiel der Bereich der Wareneingangsbearbeitung (WEB) genannt werden.
Die Meinung der Personalleitung über die festgestellte Tendenz, dass weitere Fehlzeiten von Frau S1xxxxxxx wegen ihrer Erkrankung zu erwarten sind, teilt der Betriebsrat nicht!
Im Gegenteil kommt der Betriebsrat – im Falle einer Umbesetzung von Frau S1xxxxxxx – dazu, tendenziell einen erheblichen Rückgang der Fehlzeiten zu prognostizieren.
Nach den dem Betriebsrat vorliegenden Unterlagen hat Frau S1xxxxxxx seit Eintritt in das Unternehmen im Januar 1996 bis zum Eintreten ihrer Erkrankung im Juli 2001 zuverlässig und ohne krankheitsbedingte Ausfälle gearbeitet.
Des weiteren kann der Betriebsrat auch unter sozialen Gesichtspunkten – Frau S1xxxxxxx hat drei Kinder – der Kündigung nicht zustimmen.
Abschließend kritisiert der Betriebsrat noch das befremdliche Vorgehen seitens der Personalleitu...