Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Ermittlung von verschleiertem Arbeitseinkommen i.S. von § 850h Abs. 2 ZPO

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 850h Abs. 2 S. 1 ZPO ist auch im Insolvenzverfahren entsprechend anwendbar.

2. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 850h Abs. 2 S. 1 ZPO vorliegen, muss zunächst die übliche Vergütung für die Dienste, die der Schuldner leistet, ermittelt werden. Ist diese gefunden, so muss das zwischen Arbeitgeber und Schuldner vereinbarte Arbeitsentgelt damit verglichen und festgestellt werden, ob der Schuldner gegen eine "unverhältnismäßig geringe" Vergütung arbeitet.

3. Ausgehend hiervon entspricht eine Vergütung von 2.000 EUR brutto monatlich der üblichen Vergütung für die Arbeit einer Logopädin.

 

Normenkette

ZPO § 850h; ZPO § 850h Abs. 2 Sätze 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Bochum (Entscheidung vom 21.01.2016; Aktenzeichen 4 Ca 1503/15)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 21.01.2016 - 4 Ca 1503/15 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche aus verschleiertem Arbeitseinkommen.

Mit Beschluss vom 23. September 2013 hat das Amtsgericht Bochum unter dem Aktenzeichen 80 IN 487/13 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Frau N (nachfolgend: Schuldnerin) eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin ernannt. Von der Schuldnerin ist Restschuldbefreiung beantragt worden.

Die Schuldnerin war bis zum 30.06.2013 als Logopädin in der von ihr unter der Fa. "L" geführten logopädischen Praxis selbständig tätig. Da sie die laufenden Praxiskosten nicht mehr begleichen konnte, gab sie die selbständige Tätigkeit zum 30.06.2013 auf und übertrug das in der Praxis genutzte Praxisinventar mit Vereinbarung vom 01.07.2013 auf die Beklagte. Zugleich wurde der Sitz der Praxis verlagert. In der Vereinbarung vom 01.07.2013 ist des Weiteren festgehalten, dass die zum damaligen Zeitpunkt von der Schuldnerin betreuten 62 Patienten in der neuen Praxis weiter betreut werden sollen. Im Gegenzug verpflichtete sich die Beklagte, die unter der Fa. "G" eine weitere logopädische Praxis in Ö betreibt, die Schuldnerin sowie den bisherigen und einzigen Mitarbeiter der Schuldnerin mit Wirkung zum 01.07.2013 als Vollzeitkräfte einzustellen und der Schuldnerin die Praxisleitung zu übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vereinbarung vom 01. Juli 2013, Bl. 17 - 19 d. A. Bezug genommen.

Gemäß § 4 des zwischen der Schuldnerin und der Beklagten geschlossenen Arbeitsvertrages sollte die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden betragen. Als monatliches Gehalt ist ein Verdienst von 2000,00 € brutto vereinbart worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag vom 30. Juni 2013, Bl. 12 - 16 d. A. verwiesen.

Aus dem daraus resultierenden Nettogehalt ergaben sich pfändbare Beträge von monatlich 220,47 € bzw. ab dem Monat Januar 2014 von monatlich 227,47 €. Diese Beträge wurden von der Beklagten nach Aufforderung durch die Klägerin ab dem Monat Oktober 2013 ordnungsgemäß auf ein Sonderkonto der Klägerin ausgekehrt.

Das zwischen der Schuldnerin und der Beklagten begründete Arbeitsverhältnis endete zum 30. Juni 2015; zu diesem Zeitpunkt wurde die logopädische Praxis von der Beklagten wieder geschlossen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich geltend gemacht, das mit der Schuldnerin vereinbarte und ihr gezahlte Entgelt in Höhe von 2.000,00 EURO brutto / Monat sei für die Tätigkeit der Schuldnerin als Logopädin und Praxisleiterin unverhältnismäßig gering i. S. v. § 850 h Abs. 2 ZPO. Im Verhältnis der Parteien zueinander sei daher eine angemessene Vergütung als geschuldet anzusehen und aus dieser die zusätzlich pfändbaren Beträge zu zahlen. Im Bereich des öffentlichen Dienstes würden für Logopäden die Entgeltgruppen EG 6 - EG 9 gelten. Danach liege das Brutto-Grundgehalt bereits in der ersten Stufe zwischen 2093,38 € (EG 6) und 2.436,14 € (EG 9). Mit 6 Erfahrungsjahren betrage das Brutto-Grundgehalt 2.694,64 € (EG 6) bzw. 3.727,47 € (EG 9). Bereits hieraus ergebe sich, dass das vertraglich vereinbarte Bruttogehalt unverhältnismäßig gering sei. Für die Wahrnehmung der umfangreichen und mit mehr Verantwortung verbundenen Aufgaben als Praxisleiterin stehe der Schuldnerin im Übrigen ein höheres Einkommen als das einer einfachen angestellten Logopädin zu. Gestützt auf Angaben der Hans-Böckler-Stiftung im Internet macht die Klägerin geltend, eine Logopädin mit Leitungsposition und sieben Jahren Berufserfahrung erhalte durchschnittlich ein monatliches Entgelt in Höhe von 2.561,00 EURO. Bei diesem Einkommen ergäben sich zusätzlich pfändbare Beträge von 189,00 € bzw. 182,00 € pro Monat und für den Zeitraum Oktober 2013 bis Juni 2015 - rechnerisch unstreitig - die Klageforderung.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.843,00 EURO nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ...

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