Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Chefarztes in einem kommunalen Krankenhaus
Leitsatz (amtlich)
1. Ist im Arbeitsvertrag eines Chefarztes eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe I BAT in der jeweils gültigen Fassung vereinbart, ohne dass auch auf die ersetzenden Tarifverträge verwiesen wird, ist durch ergänzende Vertragsauslegung festzustellen, ob und welcher ersetzende Tarifvertrag (hier der TV-ÖD oder der TV-Ärzte/VKA) die Vergütungsgruppe des BAT ersetzt hat.
2. Ist einer der beiden Tarifverträge zeitlich früher in Kraft getreten, so ist die Regelungslücke durch diesen Tarifvertrag zu schließen. Mangels Regelungslücke kommt bei Inkrafttreten des späteren Tarifvertrages eine ergänzende Vertragsauslegung nicht mehr in Betracht.
Normenkette
TV-Ärzte VKA § 16
Verfahrensgang
ArbG Siegen (Urteil vom 08.02.2008; Aktenzeichen 3 Ca 1428/07) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 08.02.2008 – 3 Ca 1428/07 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung des Klägers.
Der Kläger stand seit dem 01.11.1987 bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis. Seit dem 01.12.1989 war er leitender Abteilungsarzt (Chefarzt) der radiologischen Abteilung der Klinik der Beklagten.
Das Vertragsverhältnis beruht auf dem Arbeitsvertrag vom 24.11./28.11.1989.
§ 2 der Vereinbarung lautet wie folgt:
„Das Dienstverhältnis richtet sich, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist, nach den Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) vom 23.02.1961 und der diese Tarifverträge ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge sowie den vom Krankenhausträger erlassenen Satzungen, Dienstanweisungen und Hausordnungen in der jeweils gültigen Fassung.”
In § 4 heißt es:
„Der Arzt erhält für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe I BAT der Anlage 1 a zum BAT, d.h. Grundvergütung nach § 27 BAT, Ortszuschlag nach Maßgabe des § 29 BAT sowie eine Zuwendung und ein Urlaubsgeld entsprechend den tariflichen Regelungen zum BAT in der jeweils gültigen Fassung.”
Daneben ist dem Kläger das Liquidationsrecht eingeräumt.
Der Kläger, der zum 31.12.2007 aus dem Arbeitsverhältnis ausschied, erhielt zuletzt eine Vergütung nach Maßgabe des TVöD-K in Höhe von 5.625,00 EUR brutto monatlich. Im Dezember 2005 legte die Beklagte dem Kläger einen Änderungsvertrag vor, der u.a. eine Vergütung entsprechend der Entgeltgruppe 15 Ü TVöD sowie eine Jahressonderzahlung entsprechend den Regelungen zum TVöD vorsah. Den Vertrag unterschrieb der Kläger anders als andere Chefärzte nicht.
Nach Abschluss des TV-Ärzte/VKA, der rückwirkend zum 01.08.2006 in Kraft trat, begehrte der Kläger mit Schreiben vom 21.03.2007 die Vergütung nach der Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA, da er die Auffassung vertrat, dass die Vergütungsregelungen des neuen TV-Ärzte/VKA rückwirkend auf sein Arbeitsverhältnis nach Maßgabe des Arbeitsvertrages Anwendung finden. Sein Stellvertreter wurde als Oberarzt nach der Entgeltgruppe IV des TV-Ärzte/VKA vergütet.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe einen Anspruch gegen die Beklagte aus der genannten Tarifgruppe. Aufgrund der Geltung des TV-Ärzte/VKA habe er Anspruch auf entsprechende Vergütung. Er wies darauf hin, dass im Krankenhaus der Beklagten sowohl der TVöD-K als auch der TV-Ärzte/VKA zur Anwendung kämen. Der TV-Ärzte/VKA sei aber der speziellere Tarifvertrag. Sofern eine Auslegung des Arbeitsvertrages nicht zur Anwendbarkeit des TV-Ärzte/VKA führe, ergebe sich dieses Ergebnis jedenfalls aus einer ergänzenden Vertragsauslegung. Wäre bei Abschluss des Arbeitsvertrages absehbar gewesen, dass zu einem späteren Zeitpunkt zwei verschiedene Tarifverträge potentiell Anwendung auf das Arbeitsverhältnis finden könnten, hätten sich die Vertragspartner darauf verständigt, dass in dieser Konstellation der arztspezifische Tarifvertrag Anwendung finden solle.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.08.2006 eine Dienstvergütung entsprechend der Entgeltgruppe IV des TV-Ärzte/VKA zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen habe der Kläger keinen Anspruch gegen sie auf Vergütung nach dem TV-Ärzte/VKA. Bereits die Überleitung aus dem Bundesangestelltentarifvertrag in den TVöD-K stelle im Hinblick auf den Vergütungsanspruch des Klägers eine freiwillige Leistung dar. Denn § 4 des Arbeitsvertrages sehe lediglich eine Vergütung auf der Grundlage des BAT in seiner jeweiligen Fassung vor, während § 2 des Arbeitsvertrages auch auf die den BAT ersetzenden Tarifverträge Bezug nehme. Hieraus ergebe sich, dass nach Einführung des TVöD-K der Vergütungsanspruch des Klägers in Höhe des letzten Vergütungsniveaus der Vergütungsgruppen des BAT statisch geworden...