Entscheidungsstichwort (Thema)
Lebensalter und Dauer der Betriebszugehörigkeit bei Bemessung der Abfindungshöhe. Keine Berücksichtigung des Auflösungsverschuldens bei Höhe der Abfindung aufgrund Auflösungsantrag. Vertragliche Bonuszahlung bleibt bei der Höhe des Monatsverdienstes unberücksichtigt
Leitsatz (redaktionell)
Befristung einzelner Arbeitsbedingungen unterliegt Angemessenheitskontrolle des § 307 BGB. Erhöhter Ausgleichs- und Absicherungsbedarf bei 55-jährigem Arbeitnehmer.
Normenkette
KSchG § 14 Abs. 2 S. 2, § 10 Abs. 2; BGB § 307 Abs. 1 S. 1; KSchG § 9 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Detmold (Entscheidung vom 07.11.2018; Aktenzeichen 3 Ca 453/18) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 7. November 2018 - 3 Ca 453/18 - teilweise dahin abgeändert, dass der nach Ziffer 2 des Tenors von der Beklagten an den Kläger zu zahlende Abfindungsbetrag nicht 92.734,00 €, sondern 158.250,00 € beträgt.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in zweiter Instanz allein noch über die Höhe der dem Kläger im Rahmen einer gerichtlichen Auflösungsentscheidung nach §§ 14 Abs. 2 S. 2, 9 Abs. 1 S. 2, 10 KSchG durch Urteil zuzusprechenden Abfindung.
Der am 5. Juni 19xx geborene, verheiratete Kläger war seit dem 1. April 2001 zunächst bei der B für E mbH beschäftigt. Die Grundlage dieses Arbeitsverhältnisses bildete der am 7. September 1999 geschlossene schriftliche Arbeitsvertrag, auf den verwiesen wird (Bl. 6 ff. d. A.). Seine Aufgabe war zunächst die eines Entwicklungsleiters. Mit Vertrag vom 1. Juni 2002 (Bl. 10 ff. d. A.) wechselte er im Konzernverbund als technischer Leiter zur Rechtsvorgängerin der Beklagten, der C GmbH. Dies ausdrücklich unter Anerkennung seiner vorherigen Betriebszugehörigkeit bei der Schwestergesellschaft. Die aus diesem Unternehmen hervorgegangene Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der D ( U) und damit Teil der B1, die aus deren Konzernzentrale in U1 zentral gesteuert wird. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.
Mit Wirkung zum 1. Juni 2012 wurde der Kläger zum Prokuristen der Beklagten bestellt (Einzelprokura). Mit Schreiben vom 11. Dezember 2012 (Bl. 88 d. A.) übertrug der damalige Geschäftsführer der Beklagten ihm das "Arbeitgeberdirektionsrecht". In der Folgezeit schloss er Arbeitsverträge bzw. Aufhebungsverträge mit Beschäftigten der Beklagten (Bl. 89 ff. d. A.).
Die Bruttomonatsvergütung des Klägers belief sich bis Juli 2015 auf 5.900,00 Euro. Daneben wurde ihm bereits damals und dann fortgesetzt bis zur Freistellung im Monat Januar 2018 ein Kraftfahrzeug zur Verfügung gestellt. Die Vergütungsabrechnungen des Klägers wiesen für das auch für private Zwecke nutzbare Fahrzeug zuletzt einen Sachbezugswert von 550,00 Euro monatlich aus.
Zum 1. August 2015 erwarb die B1 wesentliche Teile der in Insolvenz geratenen A. N GmbH mit Betriebsstandort in O. Sie gründete die M1 GmbH (im Folgenden: M2) und übertrug deren Gesellschaftsanteile vollständig auf die Beklagte. Mit Geschäftsbesorgungsvertrag vom 20. August 2015 (Bl. 19 ff. d. A.) vereinbarten die Konzernobergesellschaft und die Beklagte unter anderem, dass der Kläger und eine weitere Beschäftigte, die anderweitige Klägerin H , im Rahmen einer von der Beklagten bei M2 zu leistenden Anlaufunterstützung alle Aufgaben der Strukturierung, Kontrolle und Leitung (Kläger) und die Steuerung der kaufmännischen Prozesse (H ) übernehmen sollen. Die Kosten der mit der Übertragung zusätzlicher Aufgaben jeweils verbundenen Gehaltserhöhungen trägt nach Ziffer 1 dieser Vereinbarung die Konzernobergesellschaft. Ziffer 2 sieht vor, dass diese zusätzlich den Abschluss einer für die dortige Geschäftsführertätigkeit des Klägers abzuschließenden D&O-Versicherung übernimmt und deren Kosten trägt. Der Geschäftsbesorgungsvertrag ist bislang ungekündigt.
Mit einer zum 1. August 2015 greifenden, dreiseitigen Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag (Bl. 21 ff. d. A.), auf die Bezug genommen wird, wurden dem Kläger "zusätzlich zu seinen bisherigen Aufgaben" bei der Beklagten die Aufgaben der Neustrukturierung, Kontrolle und Leitung bei M2 übertragen. Dort ist unter anderem Folgendes bestimmt:
"Der Arbeitsvertrag von Herrn J mit der X GmbH wird daher wie folgt angepasst:
Für die Zeit ab dem 01.08.2015 erhöht sich die Jahresbruttovergütung von Herrn J auf 130.000,00 Euro, zu zahlen in monatlichen Beträgen entsprechend der bisherigen arbeitsvertraglichen Regelung. Diese höhere Jahresbruttovergütung läuft aus, sobald die Tätigkeit von Herrn J für M2 beendet werden sollte; in diesem Fall gilt wieder die vor dem 01.08.2015 geltende Entgeltregelung des Arbeitsvertrages.
Zusätzlich zu dem erhöhten Jahresbruttogehalt vereinbaren alle Parteien eine jährliche Bonuszahlung an den Arbeitnehmer, dessen Höhe in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt ist. Diese hängt von einer Leistungsüberp...