Gegen dieses Urteil ist aus Gründen des § 72 Abs. 4 ArbGG weder für die klagende Partei noch für die beklagte Parrtei ein Rechtsmittel gegeben
Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiterbeschäftigung eines Betriebsratsmitglieds im gekündigten Arbeitsverhältnis bei behaupteter Nichtigkeit der Betriebsratswahl nach erstinstanzlicher Entscheidung über die Nichtigkeit. einstweilige Verfügung
Leitsatz (redaktionell)
1. Von einer offensichtlichen Unwirksamkeit einer Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist regelmäßig dann auszugehen, wenn die Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 betrVG ausgesprochen worden ist. Ist eine Kündigung offensichtlich unwirksam, sodass das Kündigungsschutzverfahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Gunsten des Arbeitnehmers ausgeht, kann die für einen Weiterbeschäftigungsanspruch erforderliche Interessenabwägung auch im gekündigten Arbeitsverhältnis zu Gunsten des Arbeitnehmers ausgehen. Macht der Arbeitgeber in derartigen Fällen die Nichtigkeit der Betriebsratswahl geltend, muss er darlegen und – im einstweiligen Verfügungsverfahren – glaubhaft machen, dass in einem so hohen Maße gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer Wahl nicht mehr vorliegt.
2. Wird in einem entsprechenden Wahlanfechtungsverfahren durch nicht rechtskräftigen Beschluss des Arbeitsgerichts nach durchgeführter Beweisaufnahme die Nichtigkeit der Betriebsratswahl jedoch nicht festgestellt, ist die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung offensichtlich notwendig gewesen. Die mangelnde Rechtskraft stört dabei nicht. Gerade weil das Arbeitsgericht im Wahlanfechtungsverfahren zu der Feststellung gelangt ist, dass die Betriebsratswahl nicht nichtig ist, konnte diese Entscheidung im Individualverfahren nicht wieder in Frage gestellt werden. Das Arbeitsgericht war vielmehr für das einstweilige Verfügungsverfahren auf Weiterbeschäftigung an die im Wahlanfechtungsverfahren getroffene Entscheidung gemäß § 318 ZPO gebunden.
Normenkette
BGB §§ 611, 613, 242; BetrVG §§ 19-20, 103; KSchG § 15 Abs. 1; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Urteil vom 01.09.2006; Aktenzeichen 8 (5) Ga 57/06) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 01.09.2006 – 8 (5) Ga 57/06 – abgeändert.
Der Beklagten wird aufgegeben, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Rotationskraft bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens 8 Ca 2208/06 Arbeitsgericht Dortmund zu beschäftigen.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen
Tatbestand
Der Kläger macht im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren seine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten geltend.
Der Antragsteller und Verfügungskläger (im folgenden Kläger genannt), geboren am 10.09.1973, verheiratet, einem Kind unterhaltsverpflichtet, ist seit dem 09.05.2000 in einer D3xxxxxxxx Niederlassung der Antragsgegnerin und Verfügungsbeklagten (im folgenden Beklagte genannt) als Rotationskraft zu einem Stundenlohn von 7,50 EUR brutto bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden/Woche beschäftigt.
In der D3xxxxxxxx Niederlassung der Beklagten sind 39 Arbeitnehmer beschäftigt. Am 24.04.2006 fanden im Betrieb der Beklagten Betriebsratswahlen statt. Der Kläger, der nicht Mitglied des bisherigen Betriebsrates gewesen ist, war Mitglied des gebildeten Wahlvorstandes und Wahlbewerber. Nach dem Ergebnis der Stimmenauszählung wurde er mit der zweithöchsten Stimmenzahl in den dreiköpfigen Betriebsrat gewählt.
Am 05.05.2006 fand die konstituierende Sitzung des neu gewählten Betriebsrates statt. Der Kläger wurde zum stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden gewählt.
Mit einem am 05.05.2006 beim Arbeitsgericht Dortmund eingeleiteten Beschlussverfahren machte die Beklagte die Nichtigkeit sowie die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl vom 24.04.2006 geltend und begründete dies mit verschiedenen Manipulationsvorwürfen, die unter anderem auch gegen den Kläger erhoben wurden, und Verstößen gegen zwingende Wahlvorschriften. Soweit Vorwürfe in Betracht kommen, die Nichtigkeit der Wahl zu begründen, behauptete die Beklagte im Wahlanfechtungsverfahren 8 BV 140/06 zusammengefasst,
- die Stimmen oder die Stimmauszählung seien manipuliert worden,
- bei einem Mitarbeiter habe der Wahlvorstand den ausgefüllten Stimmzettel kontrolliert, zerknüllt und dann den Arbeitnehmer aufgefordert, neu zu wählen,
- eine Mitarbeiterin sei verbal angegriffen worden, einen „Manager” gewählt zu haben,
- eine andere Mitarbeiterin sei bei der Stimmabgabe unter Druck gesetzt worden und
- die Wahlvorstandsvorsitzende K3xxxxx habe zweimal gewählt.
Gleichzeitig leiteten sieben Arbeitnehmer der D3xxxxxxxx Niederlassung der Beklagten ein weiteres Wahlanfechtungsverfahren beim Arbeitsgericht Dortmund – 9 BV 141/06 – ein, in dem ebenfalls die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl geltend gemacht wird. Dieses Beschlussverfahren wurde aufgrund des Beschlusses vom 26.07.2006 ausgese...