Entscheidungsstichwort (Thema)
Klageänderung durch Klagehäufung in Berufung. Anfechtung einer Zielvereinbarung. Rückzahlung von Bonusvorschuss. Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung und salvatorische Klausel
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Klageänderung (hier: im Wege der nachträglichen Klagehäufung) in der Berufungsinstanz ist gemäß § 533 Nr. 2 ZPO zulässig, wenn es auf Vorbringen gestützt wird, das bereits in erster Instanz erfolgt und deshalb nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO beachtlich ist. Dies gilt gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, § 67 ArbGG ebenso für neues unstreitiges Vorbringen. Es kommt nicht darauf an, ob das Vorbringen (auch) für die bisherige Klage erheblich ist.
2. Nimmt der Arbeitnehmer ein vom Arbeitgeber unterbreitetes Angebot einer Zielvereinbarung an, kann ein Schadensersatzanspruch wegen unterbliebenen Abschlusses einer Zielvereinbarung in Betracht kommen, wenn der Arbeitnehmer diese Vereinbarung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB wirksam anfechten kann.
3. Eine Anpassung aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage scheidet aus, wenn die Parteien übereinstimmend, aber fälschlich annehmen, die vereinbarten Ziele seien erreichbar. Der Arbeitnehmer trägt das Risiko, dass er die für eine Bonuszahlung vereinbarten Ziele nicht erfüllt.
4. Die Rückzahlung eines Bonusvorschusses ist, selbst wenn ein Bonusanspruch nicht entstanden ist, ausgeschlossen, wenn nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien nur eine Verrechnung mit dem Bonus, nicht aber mit dem Festgehalt erfolgen soll.
5. Enthält der schriftliche, dem Arbeitnehmer ausgehändigte Arbeitsvertrag neben einem Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigungszusage eine salvatorische Ersetzungsklausel, kann diese zu einem wirksamen nachvertraglichen Wettbewerbsverbot mit der Zusage einer Karenzentschädigung in gesetzlicher Höhe führen.
Normenkette
BGB § 313; ZPO § 533; ArbGG § 67; BGB § 157; HGB § 74; BGB §§ 139, 123, 142, 280, 283; ZPO § 529; BGB §§ 133, 125
Verfahrensgang
ArbG Herford (Entscheidung vom 22.05.2013; Aktenzeichen 2 Ca 1500/12) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird unter ihrer Zurückweisung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 22. Mai 2013 (2 Ca 1500/12) teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Urlaubsabgeltung in Höhe von 4.800,12 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3. Oktober 2012 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger Arbeitslohn für den Monat August 2012 in Höhe von weiteren 3.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. September 2012 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Monate September 2012 bis August 2013 eine Karenzentschädigung in Höhe von insgesamt 25.400,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 2.250,00 Euro seit 1. Oktober 2012, 1. November 2012, 1. Dezember 2012, 1. Januar 2013, 1. Februar 2013, 1. März 2013, 1. April 2013, 1. Mai 2013, 1. Juni 2013, 1. Juli 2013 und 1. August 2013 sowie aus jeweils 1.450,00 Euro seit 1. August 2013 und 1. September 2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 47,8 %, die Beklagte zu 52,2 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 43,2 %, die Beklagte zu 56,8 %.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung diverser vom Kläger geltend gemachter Vergütungsansprüche. Es geht zum einen um die Zahlung einer variablen Vergütung in Höhe von 15.000,00 Euro brutto für die Zeit vom 13. Februar 2012 bis 31. August 2012. Hilfsweise macht der Kläger einen von der Beklagten für hierauf geleistete Vorschusszahlungen im Monat August 2012 einbehaltenen Betrag von 3.000,00 Euro brutto geltend. Darüber hinaus verlangt der Kläger die Zahlung einer weiteren Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.199,88 Euro brutto sowie die Zahlung einer Karenzentschädigung für die Zeit vom 1. September 2012 bis 31. August 2012 in Höhe von insgesamt 30.800,00 Euro brutto.
Die Beklagte ist spezialisiert auf die Herstellung und den Vertrieb von Produkten für die UV-Phototherapie. Das Unternehmen ist aus der Insolvenz der Firma T GmbH hervorgegangen, über deren Vermögen das Amtsgericht Bielefeld mit Beschluss vom 1. Juni 2010 (43 IN 580/10) das Insolvenzverfahren eröffnet hat. Der Kläger stand vom 13. Februar 2012 bis zum 31. August 2012 bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis als "Manager International Sales". Als solcher war er seit dem 1. März 2012 tatsächlich tätig. Grundlage der Tätigkeit des Klägers war ein schriftlicher Arbeitsvertrag nebst Zielvereinbarung vom 13. Februar 2012 (wegen der Einzelheiten vgl. K1 zur Klageschrift, Bl. 10 bis 15 d. A.) Der Arbeitsvertrag enthält u. a. folgende Regelungen:
2. Art der Tätigkeit
... Zu seinem Aufgabengebiet gehört die Betreuung und Pflege der bestehenden Vertrie...