Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer arbeitsvertraglichen Verweisung auf Tarifverträge "in ihrer jeweils geltenden Fassung und deren Nachfolgeverträge". Rechtsfolgen des Wechsels des Arbeitgebers in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. In der arbeitsvertraglichen Vereinbarung der Geltung bestimmter Tarifverträge "in ihrer jeweils geltenden Fassung und deren Nachfolgeverträge" liegt eine dynamische Verweisung auf das jeweils maßgebende Tarifentgelt.

2. Hieran ändert auch der Wechsel des Arbeitgebers in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung in dem zuständigen Arbeitgeberverband nichts.

 

Normenkette

TVG §§ 1, 3; BGB § 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Münster (Entscheidung vom 08.07.2014; Aktenzeichen 3 Ca 2246/13)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 08.07.2014 -AZ 3 Ca 2246/13- teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.094,91 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus 419,02 € seit 01.04.2013,

aus 419,16 € seit 01.05.2013,

aus 420,33 € seit 01.06.2013,

aus 419,88 € seit 01.07.2013 und

aus 416,52 € seit 01.08.2013

zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 45,8 %, die Beklagte zu 54,2 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 78,4%, die Beklagte zu 21,6 %.

Die durch die Nebenintervention entstandenen Kosten tragen der Kläger zu 78,4%, der Nebenintervenient zu 21,6%.

Die Revision wird für die Parteien und den Nebenintervenienten zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Entgeltansprüche des Klägers gegen die Beklagte aufgrund einer streitigen Bindung an den Lohntarifvertrag für den Einzelhandel NRW.

Der Kläger ist seit dem 01.07.1995 als Haustechniker bei der Beklagten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von zuletzt 35 Stunden in der Woche beschäftigt.

Grundlage der Beschäftigung war zunächst ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 13.02.1995 (Bl. 4-7 GA).

In § 1 Ziffer 3 dieses Arbeitsvertrages heißt es auszugsweise:

"Die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes NRW in ihrer jeweils geltenden Fassung und deren Nachfolgeverträge sind Bestandteil dieses Vertrages.".

In § 4 Ziffer 1 war der Passus zur Eingruppierung des Klägers nicht ausgefüllt.

§ 4 Ziffer 2 lautet:

"Das vereinbarte Entgelt beträgt: DM 3.700,- je Monat".

In § 4 Ziffer 4 ist des Weiteren geregelt, dass über das tarifliche Entgelt hinausgehenden Bestandteile gekürzt oder widerrufen werden können, zudem bei einer Erhöhung der Tarife angerechnet werden können.

Die Beklagte ist Mitglied des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe, der wiederum Mitglied im Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen ist.

Die Beklagte war zunächst Mitglied mit Tarifbindung. Mit Schreiben vom 20.09.2004 erklärte sie gegenüber dem Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe den Ausschluss der Tarifbindung zum Ablauf des auf den Zugang dieser Erklärung folgenden Monats. Mit Schreiben vom 23.09.2004 bestätigte der Verband die Annahme des Antrages zum Wechsel in die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft). Der Verband führt seit dem 01.11.2004 die Beklagte als Mitglied ohne Tarifbindung.

Bis zu diesem Zeitpunkt wurde der Lohn des Klägers regelmäßig entsprechend den Tarifabschlüssen erhöht.

Unter dem 01.03.2005 schlossen die Parteien eine Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages (Bl. 8 GA):

Diese hat folgenden Wortlaut:

"Die Parteien sind sich darüber einig, dass der zwischen ihnen bestehende Arbeitsvertrag mit Wirkung ab dem 01.04.2005 wie folgt geändert wird. Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter. Ebenso bleibt die Dauer der Betriebszugehörigkeit gewahrt

"Arbeitszeit

Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden

Zuschläge

Auf Spät- und Mehrarbeitszuschläge besteht kein Anspruch

Sonderzahlungen

...

Urlaub

..."

Jedenfalls nach Abschluss dieser Vereinbarung gab die Beklagte Tariflohnerhöhungen im Einzelhandel nicht mehr an den Kläger weiter.

Seit einigen Jahren gewährt die Beklagte dem Kläger jedoch eine Ausgleichszahlung in Höhe von 50,- € monatlich.

Unter dem 17.02.2009 unterschrieben der Kläger einerseits, sowie der bisherige und der künftige Vorgesetze ein als "Personalveränderung" betiteltes Schriftstück (Bl. 46 GA), in dem die bisherige Arbeitszeit mit 40 Stunden in der Woche und die künftige Arbeitszeit mit 32 Stunden in der Woche angegeben waren. Ferner waren in der Gegenüberstellung von "bisher" und "künftig" in den Zeilen für" künftig" das Entgelt, eine Zulage und eine Ausgleichszahlung angegeben.

Unter dem 03.08.2009 (Bl. 47 GA) gab es eine entsprechende Personalveränderung, in der die Befristung einer Verringerung der Stundenanzahl bis zum 28.02.2010 genannt war. Mit Personalveränderung vom 04.02.2010 (Bl. 80 GA) wurde die Befristung weiter bis zum 31.12.2010 verlängert. Mit weiterer Personalveränderung vom 17.02.2009 (Bl. 48 GA) wurde die Verringerung der Stundenzahl bis zum 30.06.2011 weiter befristet. Eine erneute V...

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